Bald strömen wieder Tausende all abendlich zu den Störtebeker-Festspielen nach Ralswiek. Grund genug zurückzuschauen auf ein Gespräch, welches im Jahre 2007 mit Falk v. Wangelin - einem Urgestein in Sachen Störtebeker – über Störtebeker in Ralswiek, die Festspiele und das Bühnenbild zu Stande kam...
Herr v. Wangelin, was verbinden Sie mit Ralswiek?
F. v. Wangelin: "Eine lange Periode von Arbeit, die ich hier verbracht habe. Also im künstlerischen Arbeitsabschnitt ist Ralswiek ein ganz wichtiger Punkt."
Wann hat diese Phase begonnen?
F. v. Wangelin: "Diese Phase hat damit begonnen, daß ich 1980 / 1981 damals hier Störtebeker in der Fassung von Kuba (gemeint ist Kurt Barthel (1914-1967) Chefdramaturg am „Volkstheater Rostock“) - Anm. von „à la carte“) mit Perten (gemeint ist der Regisseur Hanns Anselm Perten (1917-1985) – Anm. von „á la carte“) zusammen gemacht habe. Das heißt, wir haben sozusagen den Platz damals wieder neu gebaut und ich habe zum ersten Mal also die Gesamtausstattung gehabt: Das ging von Schiffen, über Kostüme und Masken – bis zum Gesamtprojekt... Und wir hatten damals den interessanten Zustand, daß wir im Theater selber einen vollen Spielplan hatten, also wir haben das ganze Jahr produziert – Oper und Operette, was man eben als Stadttheater so machen muß – und diese Störtebeker-Geschichte lief nebenbei (!). Und bei der Dimension, die wir heute ja noch erkennen können, können Sie sich vorstellen, daß dies eine sehr komplizierte Arbeit war. Ich will nicht davon sprechen, wie schwierig es damals war Material zu besorgen. Aber es gab – für mich in der Erinnerung - eine interessante Begegnung: Das waren in Lanken – hier oben in Saßnitz... – da gab es eine Brigade im Forst und die haben die Kulissen gebaut... Die haben sonst trigonometrische Punkte, Hochstände und ähnliches gebaut – aber Kulisse, das kannten Sie gar nicht. Ich war damals vierzehn Tage dort oben und hab den sozusagen Kulissenbau beigebracht. Und es war total spannend, weil das alles Zimmerleute waren. Und die kamen vom Holz und die hatten unglaublich viel Verständnis für Statik. Die wussten, wo hier so der Wind weht und wie dick man das machen muß, wo wir vom Theater ja immer gewohnt sind leicht zu bauen, damit man das schnell verwandeln kann... Und diese Leute waren unglaublich. – Für mich also eine Riesen-Erfahrung Ich glaube das war so ein bisschen gegenseitig. Die haben mit einmal Theater geliebt ohne Ende und waren sehr stolz, was sie am Ende dann geleistet haben und das beruhte sehr auf Gegenseitigkeit. Ich mochte die Leute sehr leiden."
F. v. Wangelin: "...Damals war ja diese Ölkrise und es wurde in Mukran (der Fährhafen) gebaut. Und für Störtebeker haben ja die Bäckereien der Insel ihre Brötchen und Semmeln gemacht, die Fleischer ihre Bockwürste und die Bratwürste – also die Insel hat ja für diese vielen Zuschauer, die jeden Abend damals hier auftauchten, die Versorgung gewährleisten müssen. Und da haben die gearbeitet und man kann nur an einer Stelle diese herstellen. Und da Mukran war, mit einer Riesenanforderung an Personal... und im Zusammenhang, daß die Busse, die als Zubringer des Publikums nicht mehr zur Verfügung standen – war das erst mal auf Eis gelegt. Wir hätten das in der Tat weiter gespielt und hatten damals auch Projekte wie „Faust in Ralswiek“ in der Schublade – Wir hatten also eine Idee – den Faust 1 und 2 in einer kompletten - sehr verknappten - Fassung auf die Freilichtbühne bringen..."
Wie hat ihr weg dann nach der Wende wieder nach Ralswiek geführt?
F. v. Wangelin: "Nach der Wende: Da gab es also viele Unternehmungen, die davon gehört haben, daß hier mal so etwas war und die sich dafür interessierten. Und es gab nicht so sehr viele Leute, die sehr gut Auskunft geben konnten, über das, was damals hier gewesen ist. Und ich war Einer der Wenigen, der dazu gehörte und bin dann nach verschiedenen Interessenten, die sich hier für diesen Platz hier stark gemacht haben, dann bei der Unternehmung mit Herrn Hick dabei geblieben."
F. v. Wangelin: "Zu Anfang stand das immer in Erinnerung mit dem alten Störtebeker. Und selbst die Rüganer haben dann gesagt, daß man das so nicht wiederholen kann. ...Da war auch ein Teil von Ablehnung. Die Startzeit, die Herr Hick hier durchgestanden hat, war sicher sehr schwer. Aber der Ansatzpunkt ist einfach zu haben diesen unglaublichen Ort. Das ist ein besonderer Ort auf der Insel – diese Lage am Bodden – nicht gestört zu sein von irgendwelchen Straßen... Absperrungen müssen passieren und Leute können nachts nicht schlafen, weil geschossen wird... Also dieser Ort ist ein Besonderer. Und die Entscheidung von Herrn Hick – sich zu diesem Ort zu bekennen – ist natürlich sehr klug gewesen, aber es gehört auch unglaublich viel Kraft, Wissen und Durchsetzungsvermögen von dem Vorhaben im Kopf – eine solche Idee zu machen... – das ist ein Wahnsinnsweg... Das es dann auch wirklich wird. Jetzt, wo über Jahre die Unternehmung - Jahr für Jahr erfolgreicher läuft - gibt es viele Stimmen: „Ja, das ist ja ganz einfach auf Rügen – das zu machen.“ Aber man darf nicht vergessen, daß der Anfang sehr schwer und sehr hart und auch wirtschaftlich sehr eng war. Es hätte auch anders kommen können...
Also, wir sind dem Publikum dankbar, das es so die Treue hält. Wir haben ja auch Besucher, die ständig kommen – das geht ja über Generationen... Es gibt eine große Breite an Publikum, die jedes Jahr hierher kommen um neue Geschichten um Störtebeker zu sehen."
Woraus schöpfen Sie die Kraft für ihre künstlerische Arbeit? Es ist ja eine Wahnsinns-Kulisse – sagen selbst Leute vom Fach... mit sehr authentischer Wirkung...
F. v. Wangelin: "Das ist erst einmal der Beruf. Man hat das ja über Jahre gemacht. Und nun langsam muß man es ja können. Also wird einem immer wieder etwas Neues einfallen – es muß aber einen Realitätsgrad haben – einen Echtheitsgrad. Das Publikum weiß, wie Backstein aussieht. Die kommen von Stralsund oder fahren dort durch – also einer Stralsundischen Stadtmauer müssen wir Genüge tun und standhalten – vom ästhetischen Anspruch her. Außerdem muß man bei so einer Freilichtbühne – es ist ja anders als im Guckkasten-Theater – man schaut so um die Ecken herum... Alles muß plastisch sein. Im Theater denkt man flacher und die Räumlichkeit erzeugt man durch Licht und Bewegung – Hier steht der Bau dagegen den gesamten Abend über und es gibt ein Proportionsproblem, was einen echten Schwierigkeitsgrad darstellt, denn alles ist bei uns kleiner und kennt nur ein konkurrierendes Maß - den Menschen."
Steht denn eigentlich schon die Kulisse für das nächste Jahr?
F. v. Wangelin: "In den ersten Wochen nach der Premiere wird überlegt, was denn nächstes Jahr ein Spielort sein könnte. Ob Stockholm kommt... oder geht Störtebeker schon wieder mal ins Ausland - wir hatten ja schon mal Nowgorod, wir hatten London und Spanien gehabt – also das wird wohl sicher kommen und dieser Zyklus ist ja auf sechs Jahre angelegt und da muß Herr Hick – der ja wohl schon am weitesten gedacht hat – wird dann wohl sagen: „Naja wir könnten folgenden Ort haben...“ Und, also ich brauche nur die Adresse der Orte und dann werden von mir Vorschläge entwickelt, wie der Ort beschaffen sein könnte oder welche dramatische Konstellation könnte sich an diesem Ort entwickeln. Das bedeutet, daß wenn wir mit der Saison zu Ende sind, liegen die Entwürfe für das nächste Jahr vor, denn die Kollegen von der Technik fangen dann im September an abzureißen und vorzubereiten, denn wir bauen ja über den Winter hinweg, so daß zu Mai 2008 die neue Kulisse steht."
Was würden Sie sich wünschen für die Störtebeker-Festspiele?
F. v. Wangelin: "Immer so ein treues Publikum. Das die Leute kommen und das sie artikulieren, daß es ihnen gefällt. Das merkt man am Applaus. Und sicher.. Ich glaube wir haben Ideen noch für Jahre , da ist noch einiges drin. Es gibt nichts schöneres als eine künstlerische Arbeit, wenn sie ein Echo findet, wenn sie angenommen wird, wenn sie akzeptiert wird und wenn sie weiter getragen wird."
Dann danken wir für das Gespräch und wünschen den Störtebeker-Festspielen weiterhin viel Erfolg und alles Gute für die Zukunft.
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