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Von Insel zu Insel geht es mit "Julchen" |
Unser heutiger Streifzug über die Insel führt uns auf eine der Inseln vor Rügen: Die Insel Vilm. Es ist Mittwoch, um 10 Uhr und das Fahrgastschiff "Julchen" nimmt Fahrt auf...
Die Ostsee wird ab der Hafenausfahrt allerdings zunehmend kippeliger und sie wirft ihr Nass gegen die Bordwand und versetzt das Schiff in Schwingungen. Die schwarz-rot-goldene Fahne flattert und trotz - wenn auch leicht zerzaust - dem immer stärker aufkommenden Wind. So oder so ähnlich haben sich viele der Gäste auf diesem Törn wahrscheinlich den Besuch der zu Putbus gehörenden Insel vorgestellt, bestens ausgestattet mit ihrer Outdoor-Bekleidung, die zumeist durch Rucksäcke ergänzt wird.
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2,3 km sind seeseitig zurückzulegen: Die Insel Vilm - noch etwas unscharf... ;)
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Am Horizont verschwimmen bereits die Umrisse von Lauterbach, geradezu rückt die Insel Vilm immer klarer in den Blick. Da steht sie nun: Die versammelte Expedition wippt auf dem Oberdeck mit dem Gang der Wellen und nur die wenigsten haben einen Platz unter Deck aufgesucht. Nach etwa 10 Minuten verstummt jedoch das Motorengeräusch. Unser Schiff gleitet der Anlegestelle entgegen - was zu hören ist? Nur noch die anschlagenden Wellen und der Wind.
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Nach etwa 10 Minuten erreichte die Barkasse die Insel Vilm |
Schnell ist das Anlegemanöver mit geübtem Griff vollzogen und die Gangway "ausgefahren". Noch etwas unsicher pilgern die Teilnehmer des Ausflugs von Bord. Sammelpunkt ist eine kleine Tafel am Ufer, wo sich der Schiffsführer in Stellung gebracht hat, um die heutigen Gäste mit dem Eiland vertraut zu machen. Mit kurze Ansprache und neuer Zielvorgabe - einer Siedlung, die sich in unmittelbarer Entfernung befindet.
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Wo einst die Honneckers (Anm.: Sie bewohnten das vordere Haus) ihre Ferien verbrachten, grasen heute Schafe |
Schon früh war der Mensch auf diesem Flecken Erde unterwegs - mindestens seit 1336, dem Jahr der frühesten urkundlichen Erwähnung. Einsiedler, Wallfahrer, Badegäste, Künstler, Politiker und Naturschützer. Die Aufzählung selbst erzählt schon ein Stück weit die Geschichte der Insel. An die Kapelle erinnert heute noch ein Kreuz, an die Betreiber eines Logierhauses ein altes Nebengebäude, an die Politiker eine Siedlung mit Ferienhäusern und an die Naturschützer eine Photovoltaikanlage. Aber: Wegen letzterer kommen wohl die wenigsten Besucher her, erklärt der Schiffsführer. Auch mit den Künstlern, wie Caspar David Friedrich oder Gustav Carus, die hier die Urwüchsigkeit auf Papier und später auf Leinwand bannten, wird der Ausflug kaum verbunden, eher mit der Geschichte des 20. Jahrhundert und der Schönheit der Natur.
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Blick vom Rundweg auf die beeindruckende Steilküste |
Die wäre fast "unter die Füße" der Urlauber gekommen, wenn nicht die ehemalige Staatsführung der DDR das Eiland 1959 zu ihrem Sommerdomizil erklärt hätte. Für die Angestellten bedeutete dies "3 Monate Stress und 12 Monate Arbeit". Das Privileg, von dem vor allem der Ministerrat sowie die Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht und Erich Honecker Gebrauch machten, hatte bis 1990 Bestand. Dann forderten es die "neuen Herren der Insel" ein. Den Irrungen und Wirrungen dieser wilden Zeit zum Trotz entstand hier damals eine Internationale Naturschutzakademie des Bundesamtes für Naturschutz und dadurch vielleicht einer der schönsten Arbeitsplätze, auf die man sich in Deutschland bewerben kann.
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Jeder Blick auf dem Rundweg hat seinen Reiz |
Vorbei an einem Haus - in welchem selbst Margot Honecker die Hüllen fallen lassen konnte, weil es zum Saunieren errichtet wurde - geht es in Richtung des höchsten Punktes der Insel. 30 Meter! - Das ist natürlich nichts für ungeübte Bergsteiger, möchte man meinen - aber: Weit gefehlt! Die Gruppe schafft die erste "große Herausforderung" ohne große Anstrengung. Schon möglich, dass die kurzweiligen Hinweise und Geschichten unseres Schiffsführers Andreas Kuhfuß ihren Beitrag dazu leisteten. Erfährt man doch von ihm nicht nur, dass es drei Füchse, Seeadler und sogar Maulwürfe auf der Insel gibt. Letztere sollen allerdings als "blinde Passagiere" mit dem Boden nach Vilm gekommen sein, als man 1963 eine Gärtnerei anlegte. Ob sie noch den Rückweg nach Rügen suchen? Wer weiß? Sie müssten sicher tief graben...
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Schiffsführer Andreas Kuhfuß macht die Vilmexkursion zu einem kurzweiligen Erlebnis |
Überhaupt die Tier- und Pflanzenarten! Wenn man der einschlägigen Literatur glauben mag, ist die knapp 100 Hektar große Landmasse, die einst über eine direkte Verbindung zur Insel Rügen verfügte, außergewöhnlich artenreich. Schon in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts staunten Fachleute, dass auf so kleinem Raum so viele Arten brüteten. Halsband-Regenpfeifer, Fluß- und Zwergseeschwalben. Dazu Austernfischer und und Sturmmöwen. Aber auch 48 Schneckenarten oder Schlangen, wie die Ringel- und die Glattnatter sollen hier zu finden sein. Ganz bestimmt abseits des Rundweges, vielleicht auf dem nicht begehbaren Teil der Insel, den wir als Jugendliche noch in den 90er Jahren erkundeten.
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Gezeichnet von Wind, Wetter und Tieren - die urwüchsigen Bäume auf der Insel |
Die Blicke der Gruppe bleiben immer wieder an den urigen Bäumen mit ihrer Frostleiste auf einer Stammseite hängen. Die Oberflächenspannungen und die Tierwelt hat auch sie geprägt. Dazu der Strand, der zu DDR-Zeiten sogar morgens für die DDR-Politiker geharkt werden musste, und das Steilufer, das unweigerlich an die Entstehung des Filmes "Insel des Todes" erinnert, den der Neuendorfer Manfred Freybier hier aufwendig als Abenteuerfilm mit einer Riesenklapperschlange in Szene setzte. Der Drehort scheint sich an diesem Abschnitt der Insel übrigens kaum verändert zu haben. Dennoch: Der Wechsel der Landschaft und auch die Größe dieser Insel dürften manchen der Teilnehmer an der Expedition in die Natur des Vilm verwundern. Auf Nachfrage erfährt man, dass sich schon Malte, der Ortsgründer von Putbus, soll sich für den Erhalt des Waldes eingesetzt haben. Wie auch seine Nachfahren. 1936 wurde die Insel bereits unter Naturschutz gestellt.
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Der Abstieg zum Ufer |
Vieles auf der Insel ist für den Betrachter ungewöhnlich. So, wie auch der Name: Vilm. Gerne wird auch bei dieser Führung Bezug zur slawischen Bezeichnung "Ilumu" genommen, was soviel wie "Ulme" heißt. Möglich, aber so einfach ist es vielleicht dann doch nicht. Denn: "Vilm" oder "Vylym" findet als Begriff oft Verwendung bei Wasserorten. Auch gibt es zweifellos einen Bezug zwischen Vilm und Vilmnitz. Dieser dürfte einst nicht nur durch die Landverbindung gegeben gewesen sein, von der man heute oftmals annimmt, dass sie vielleicht erst mit der Allerheiligenflut des Jahres 1304 abriss und lediglich mit dem Schnakenwerder einen letzten Zeitzeugen hinterließ, bis auch dieser von der Ostsee überspült wurde. Anzumerken ist dabei, dass die Insel wohl einst Ruhestätte des Hauses Putbus war und die Kirche von Vilmnitz erst später zur Begräbniskirche mit seiner bekannten Familiengruft wurde.
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Ob der "Präsident" hier entlang ritt, um das Holz der Insel vor Diebstahl zu bewahren? |
Wem nun doch etwas schauerlich wird, dem sei nicht vorenthalten, dass dem am 8. Februar 1787 gestorbenen "Präsident" (der einst königlichen Regierung von Schwedisch-Pommern in Stralsund) einst von den Fischern nachgesagt wurde, dass er an den Ufern des Vilms gesehen worden wäre. Angeblich sei er dort als "Schimmelreiter" entlang geritten, um die Fischer, die auf der Insel Holz stehlen wollten, davon abzuhalten. Diese Geschichte ließe sich gut bei Nachtwanderungen erzählen, denken wir. Nur: Wer weiß in etwa zehn Jahren noch, was ein Fischer ist... Traurig aber wahr! Und so bleibt auch der Niedergang dieses einst einträglichen und angesehenen Berufszweiges von unserem Schiffsführer nicht unerwähnt. Die Gruppe wie die uralten Bäume scheinen dabei den Ausführungen andächtig zu lauschen. Mancher dürfte sich auch fragen, was er da eigentlich noch als regionale Kost auf den Teller bekommt und wer es gefangen hat. Aber das ist eine andere Geschichte...
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Losungen und Initialien haben sich tief in der Rinde verewigt... |
So wie die vielen Initialen und Losungen, die einst Menschenhände mit Messern in die Rinden der Bäume trieben. Obgleich die Zeugnisse schon an die 70 Jahre alt sind und einige der Verliebten schon nicht mehr auf dieser schönen Erde weilen dürften, sind die Vernarbungen in der Rinde geblieben. Letzte Relikte eines Zeitabschnitts als die Insel dem Menschen geopfert zu werden schien. Die Befürchtungen dazu gab es übrigens schon weit vor dieser Zeit. Als noch das vom Förster Witte 1886 erbaute Logierhaus mit seinem Speisesaal und 24 Fremdenzimmern zum Treffpunkt der Künstler wurde, fragt sich bereits die Frau des Landschaftsmalers Friedrich Preller d. Ä.:
"Was wird aus Vilm werden, wenn Wittes nicht mehr Pächter sind?"
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Hoffentlich noch lange möglich: Die Insel mit ihrer einzigartigen Natur zu bewundern |
Die Antworten der Zeit vielen dazu bisher recht unterschiedlich aus. Und obgleich sich die Rahmenbedingungen stetig wandeln und die Mächtigen immer wieder den Vilm für sich auf unterschiedliche Weise entdeckten, bleibt zu hoffen, dass auch den Rüganern und ihren Gästen die Möglichkeit eines Schiffsausfluges und eine Führung über die Insel erhalten bleibt.
Und wer mit diesen Zeilen nun eine Anregung für eine Vilmexkursion bekommen hat, kann sich die Insel zeigen und den Rest der Geschichte des Vilm erzählen lassen... ;)
Weitere Informationen zur Überfahrt und Exkurxion:
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Es ist in der Tat schon viele Jahre her... die Ostsee war zugefroren und wir sind zu Fuss mit Tee (und einem kleinen Schuss) zu Fuss zur Insel. Der Wind fegte unerbittlich über die Eisfläche und es knackte hier und da...Es war die reine Abenteuerlust und hat sich auf jeden Fall gelohnt.
AntwortenLöschenIch hab mal zwischenzeitlich nachgeschaut: Sicher war das Anfang der 90er, als sich die Wanderer in einem breiten Strom über das zugefrorene Eis ihren Weg zur Insel bahnten. Kann mich daran noch sehr gut erinnern. Das ist schon eine außergewöhnliche Zeit gewesen. Ich such noch die alten Fotos... ;)
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