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Bei unserem letzten Streifzug haben wir uns dem Ursprung von Sassnitz, einem Fischerdorf in der Uferschlucht des Steinbachs, gewidmet. Darum ist der Besuch von dem Flecken, der einst den Namen Crampas trug, nur folgerichtig. 


Crampas hatte im Laufe der Geschichte verschiedene Schreibweisen. So ist in alten Unterlagen beispielsweise von Kramps, Krambs oder Kampatz die Rede. In seiner Bedeutung könnte es soviel wie "eingeengter Ort" heißen, was dann vielleicht auf den schmalen und dafür gerodeten Siedlungsstreifen zwischen Waldung und See Bezug nahm. Heute hat sich der Name in den Bezeichnungen einiger Zuwegungen - wie "Crampasblick" oder "Crampasstraße" - erhalten und wurde, angeregt vom Aufenthalt Theodor Fontanes auf Rügen in dessen Roman "Effi Briest" in Person des Majors von Crampas, literarisch verewigt. Doch die Spuren dieses Örtchens sind weitgehend verwischt von den geschichtlichen Ereignissen der letzten 120 Jahre. Darum lohnt es sich, nun einen Schritt zurückzutreten und mit zeitlichem Abstand auf Crampas zu schauen. 

Wenn man alten Unterlagen glauben mag, gehörte Crampas einst der Familie zu Putbus. Allerdings soll 1482 ein Hof an die Stralsunder Kalandsbruderschaft verkauft und kurz darauf (1485) das Dorf an Claas von Barnekow zu Lehn übertragen worden sein.  Fast hundert Jahre darauf trennte sich die Familie zu Putbus vollständig von ihrem Besitz. Damit wurde Crampas zur Landesdomäne. Diese Grundbesitzverhältnisse erfuhren erst 1822 eine Wandlung: Neben Verkäufen an die Bauern Martin Martin Joachim Wichmann und Johann Nikolaus Radvan wurden auch sieben Erbpachtverhältnisse mit Kleinbauern geschlossen.

Der Ort selbst war, wie schon beschrieben, im Gegensatz zu Sassnitz eher durch den Ackerbau geprägt. Verorten ließe er sich am besten, mit einer Umschreibung zwischen dem kühnen Bogen der Hafenbahn und der St.-Johannes-Kirche. Nachdem 1835 erste Familien zum Badeaufenthalt in Crampas weilten, nahm der Fremdenverkehr zu. Eine Randnotiz gibt es noch vom 29. Juni 1864: Im Jahr des Deutsch-Dänischen Krieges erwartete man die Landung dänischer Truppen an der Ostküste Rügens und schickte Soldaten, um die Situation bei Crampas zu beobachten. Doch zu einer Landung, wie es sie bei Neukamp (am 13. und 14. September 1678) oder bei Groß Stresow (am 15. November 1715) gab, kam es nicht. Stattdessen konnte man schon bald zivile Dampfschiffe sichten. Mit ihnen ließ sich der Ort noch vor der Wende zum 20. Jahrhundert (außer am Sonntag) bequem durch die Dampfschiffverbindung Stettin-Swinemünde-Sassnitz-Crampas erreichen. Damals legte das Schiff pünktlich um 12 Uhr Mittags in der Landeshauptstadt ab, um nach Rügen aufzubrechen. Und da man auch die pommerschen Seebäder Heringsdorf, Göhren und Binz anlief, betrug die Seereise letztlich ganze 7 Stunden. 

Die letzten Eindrücke der Schiffsfahrt galten dabei der Querung der Prorer Wiek, wobei die Sonne im Westen langsam unterging. Vorbei am stattlichen Schloss Dwasieden, welches weithin sichtbar war, lugten einige der Ufervillen von Crampas schon bald hervor. Dann waren auch die neue Kirche und die Häuser in der Uferschlucht (das sogenannte "Steinbachthal") von Sassnitz deutlich sichtbar. Kurz darauf stoppten die Maschinen. Die Kette mit dem Anker fuhr in die Tiefe und schon bestiegen Zoll- und Postbeamte das Schiff. Das Ausbooten begann. Reichlich geübt pflegten nun die Fischer ihre Gäste mit ein paar kräftigen Ruderschlägen mit den Booten an die Landungsbrücke zu bringen, wo sie bereits erwartet wurden.

Ungleich beschwerlicher war zu jener Zeit sicher noch die Fahrt mit der Eisenbahn, die zunächst von Stralsund über das Trajekt nach Rügen und von dort nach Bergen erfolgte. Später (für den 1. Juli 1891 wurde die Eröffnung der Bahnstrecke Bergen a. Rügen - Crampas-Sassnitz in der Zeitung "Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen" angekündigt) jedoch auch seine Fortsetzung bis zum Bahnhof fand, der damals nördlich von Crampas entstand. Zuvor suchte man die Strecke von Bergen nach Crampas mit Fuhrwerk oder Kutsche über die Güter Clementelvitz und Lancken, das sich am Fuße des Lenzberges befand, zu erreichen. Hier am Lenzberg gab es damals einen der größten Kreidebrüche Rügens. Zeitzeugen waren aber vor allem von einer Drahtseilbahn beeindruckt, die das "weiße Gold" direkt zu den Schiffen auf See schaffte. Ferner war auch von der Aussicht, die sich weit über die Ostsee bot, gerne die Rede. Im Anschluss senkte sich der Weg dann in Richtung Crampas...

Doch wie zeigte sich Crampas in jener Zeit? Crampas, damals am hohen Ufer und direkt an der See und vielleicht nur 10 Minuten von Sassnitz entfernt gelegen, war - wie bereits beschrieben - durch die Landwirtschaft geprägt worden. Die Höfe bestanden aus Wohnhäusern, Ställen und Scheunen, welche mit Stroh gedeckt und deren Dächer zuweilen bemoost waren. Feldsteinmauern und Zuwegungen unterstrichen dabei den eher ländlichen Charakter. Die Bebauung war längs der Dorfstraße - der heutigen "Hauptstraße" - in Richtung Osten erfolgt - sie erfolgte damit parallel zu den Crampasser Bergen auf der von Geologen als "Crampasser Terrasse" bezeichneten Hochebene. Die Besiedlung reichte in etwa vom Kreisverkehr (am heutigen "Haus Stubnitz") bis etwa zur "Lindenallee" (s. Foto oben). Die damals verzeichneten Namen der Anwohner lauteten u. a. Radvan, Bollwahn, Ruge, Wiechmann, Schröder, Kagelmacher, Stahnke, Peters, Thoms, Koch und Borgwardt. 

Um sich eine Vorstellung über die rasante Entwicklung von Crampas zu machen, soll zu den Einwohnern eine Statistik bemüht werden: Noch 1767 war in Crampas von 41 Einwohnern die Rede. Bereits 1844 - als der Ort 14 Häuser zählte - hatte sich deren Zahl mit 96 mehr als verdoppelt. Bis 1880 steigerte sich die Zahl der Einwohner auf 263 um dann in den kommenden zehn Jahren sogar auf 630 zu wachsen. In dem Jahr 1890, als diese statistische Erhebung erfolgte, reisten bereits 2680 Badegäste nach Crampas.  

Die Entwicklung spiegelte sich auch in der örtlichen Bautätigkeit (s. Foto oben und unten) wieder. So waren in Ufernähe schon bald erste Villen und später ein ganzes Viertel - im Bereich der heutigen "Seestraße" - entstanden: Villa Teichen, Villa Walter, Villa Emma, Villa Merten - so lauteten die Namen der Häuser. Einige geben uns dabei auch die Stralsunder Bauherren preis, die sich in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts dazu aufrafften, Crampas in die "Zeit des Fremdenverkehrs" zu katapultieren. Es verwundert dabei keineswegs, dass der Zimmermeister Walter sein Gebäude als Fachwerkhaus mit Holzverschalung und Laubsägearchitektur versah. Das sparte Kosten!

Am Strand unterhalb der Villen entstanden zu jener Zeit auch das "Herren Bad" und das "Warmbad". Ein Stückchen abseits war das "Damen Bad". Oberhalb dieser Einrichtung hatte man das "Victoria Hôtel" mit herrlicher Fernsicht, großem Garten und Treppe zum Strande errichtet.  Direkt am Verbindungsweg - der bereits erwähnten "Seestraße" - zwischen den besagten Villen und dem "Victoria Hôtel" war das "Hôtel Walfisch" errichtet worden, das schon bald einen hervorragenden Ruf haben sollte.

Abseits dieser Bebauung wuchsen in direkter Verlängerung beider Straßen nach Osten die Orte Crampas und Sassnitz rund um den Abzweig nach Stubbenkammer weiter zusammen (s. Foto oben). Ein Blick in die Anwohnerliste nennt uns hier die Namen Starkwold, Hoffmann, Husmann, Arndt und Rieger sowie Fanka. - Sie sind Anlieger im Bereich der heutigen "Hafenstraße" (s. Foto unten), die zu jener Zeit allerdings nur die Dorfstraße ("Hauptstraße") mit der "Seestraße" verband. In Richtung Stubbenkammer werden zudem noch die Familien Rinow, Lesshafft, Galitz und Knoll erwähnt. Auch sei festgehalten, dass noch bevor Crampas und Sassnitz sich 1906 örtlich vereinigten, sie bereits als Sassnitz-Crampas bezeichnet wurden und als solches in einem Atemzug mit den pommerschen Seebädern Kolberg, Heringsdorf und Misdroy Erwähnung fand.

Wenn man Berichten aus jener Zeit glauben mag, war schon damals der Anteil der Einheimischen an den Badegästen gering. Ihre Zeit galt in der Saison dem Fremdenverkehr. Erst im Herbst nahte dann die Fangzeit für Aal und Hering, die noch im Ort geräuchert (bei Carl Radvan) und mariniert (bei Paul Lesshaft) wurden. Dann im Winter jagte man jedoch den Enten nach. Nahte darauf das Frühjahr, sagten sich ab April die ersten Gäste für einen kurzen Aufenthalt an - vornehmlich Schnepfenjägern, wie sich heute nachlesen lässt.  Dies war aber auch die Zeit als die allgemeine Betriebsamkeit wieder zunahm und die Fremdenzimmer wieder hergerichtet wurden. Das Werkeln und hämmern verriet zudem wieder eine Bautätigkeit, die Fahrt aufnahm. Dann, wenn ein paar Wochen nach dem Pfingstfest die Besucherströme wieder mit den Dampfbooten und über Land zunahmen, fuhren die Männer zum Abend mit ihren Gästen in Booten auf die See hinaus, um ein einmaliges Schauspiel zu betrachten: Auf dem Kreidefelsen wurden Holzstöße entzündet und in die Tiefe gestürzt. Am Tage zog man dagegen mit den Gästen zur Waldhalle oder zum Schlossberg, um an Tischen und Bänken zu tafeln und sich zu vergnügen...

Der schönste Ausblick auf Crampas und die See bot sich damals von den Crampasser Bergen oder besser vom sogenannten "Bergschlösschen". Auch wenn dieser Bau wie das  "Hôtel Walfisch" (Abriss 1998) oder die "Villa Walter" (Abriss 1999) nur noch als Postkarten-Motive zu bestaunen sind, es gibt noch ein paar der Zeitzeugen wie die Villa "Meereswelle" (s. oben) oder das "Seemannsheim" (später "Haus Seeadler", s. Foto oben) in der "Seestraße".

Viele weitere bauliche Entwicklungen folgten und veränderten Crampas so tiefgreifend, dass es heute -über einhundert Jahre nach der Vereinigung mit Sassnitz am 1. April 1906 - längst vollständig in Sassnitz aufgegangen ist. Der Ort wurde dabei in der Zeit des Nationalsozialismus und vor allem in der späteren DDR geprägt: So erhielt beispielsweise die Hafenbahn mit der Hela-Siedlung eine städtebauliche Aufwertung. Gleiches erfolgte an der Kreuzung von "Dorfstraße" und "Merkelstraße" mit dem Bau vom "Haus Stubnitz" (s. Foto oben), wodurch die Straße, die aus Richtung Lancken kommt, ihren Knick zur heutigen "Bahnhofstraße" erhielt. Beherrscht wird dieses städtebauliche Ensemble allerdings durch das ehemalige "Seemannsheim John Scheer" und das "Rügen-Hotel". Eine Verbindung, wie sie heute zwischen dem sogenannten "Rügen Platz" und dem Hafen durch eine Fußgängerbrücke existiert, gab es früher übrigens bereits in Verlängerung der "Bahnhofstraße" vom sogenannten "Sachsenblick" in Richtung "Hafenbahnhof" (s. Foto unten).

Nach diesem geografischen Wink zum Hafen, sei auch dessen Anfang am Strand von Crampas kurz angerissen: Zwischen 1889 und 1896 wurde für 2 Mio. Mark der damals imposante Hafen (s. Foto unten) auf Staatskosten angelegt. Dazu wurde damals eine auf dichter Pfahlgründung ruhende Mole, die sogenannte "Ostmole" mit einer Länge von 1010 Metern, aus Granitblöcken errichtet. Die Bedeutung des Hafens resultierte dabei später aus der 1909 eröffneten Dampffährverbindung nach Trelleborg, die nun auch eine Schnellzugverbindung zwischen Berlin und Stockholm möglich werden ließ. Die Züge rollten dabei vom Bahnhof im Norden von Crampas über die sogenannte Hafenbahn zum Hafenbahnhof. Von hier ging es dann mit der Eisenbahnfähre über die Ostsee nach Schweden. Diesen Weg nahm allerdings nicht nur der Revolutionär Wladimir Illjitsch Uljanow - genannt Lenin - sondern auch Peter und Lydia in Tucholskys Liebesgeschichte von "Schloß Gripsholm". Und mit letzterem schloss sich somit auch der literaturgeschichtliche Bogen um Crampas...

Wer etwas Anregung nun für seinen nächsten Ausflug durch diese Zeilen für Sassnitz erhalten hat, dem seien noch die Seiten der Sassnitzer Hausgeister empfohlen.




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