Unser letzter Streifzüge führte uns u. a. durch die Goor und über den Muglitzer Ort zur Stresower Bucht. In weiter Ferne konnten wir dabei die Entmagnetisierungsstation und die Zickerschen Berge auf der Halbinsel Mönchgut ausmachen. Diese Berge sollen nun das heutige Ziel sein. Und auch die Wetterprognose stimmt, denn an diesem Nachmittag soll die Sonne endlich ihre Strahlen durch die dicke Wolkendecke werfen, die schon seit Tagen die Insel überdeckt. Sie werden Licht und Schatten werfen.
Als Ausgangspunkt bot sich dafür die Kirche von Groß Zicker an. Ein Parkplatz mit Gasthaus ist gleich gegenüber und auch der Bau selbst ist eine gute Einstimmung auf das Ortsbild des ursprünglichen Zeilendorfes, welches sich zu Füßen des Bakenberges erstreckt. Heute weiß niemand mehr so genau, wann die Kirche aus Backsteinen auf ihrem Feldsteinfundament errichtet wurde. Erste Nachrichten beziehen sich aber auf das Jahr 1360, so dass davon ausgegangen werden kann, dass das Gotteshaus im 14. Jahrhundert errichtet wurde. Allerdings soll das Kirchenschiff erst Anfang des 15. Jahrhundert fertiggestellt worden sein - Turm und Westseite sind später mehrfach erneuert und ausgebessert worden. Die hier schon sichtbare Ursprünglichkeit, die Künstler wie Lionel Feininger auf der Halbinsel Mönchgut noch suchten und zu ihrer Zeit auch fanden, ist hier noch in Ansätzen bei einigen ehemaligen Bauernhöfen vorhanden...
Hier und da grüßt auch ein Zeitgenosse in Form alter Bäume oder Mauern den Wanderer am Wegesrand. Man erahnt, was sie alles erlebt haben müssen. Dazu rohrgedeckte Häuser, ein Dreiseitenhof und sogar ein niederdeutsches Hallenhaus... Letzteres ist als ehemaliges Pfarrwitwenhaus bekannt und zählt in Groß Zicker sicher zu den beliebtesten Fotomotiven. Kein Wunder! Mit seinem Walmdach und dem Einschnitt für den Zugang hebt es sich auch äußerlich deutlich von den anderen Häusern des Dorfes ab.
Die Zickerschen Berge sind für das Dorf im "Unnerlang" die landschaftliche Kulisse. Wellenförmig laufen sie zu ihren Höhen von bis zu 66 Metern auf und fallen in tiefe eingeschlossene Täler. Ein solches lässt sich über einen Hohlweg durchwandern.
Der Aufstieg ist allerdings langwierig, da sich der Weg bis zur Bergkette weit streckt. Mit Erreichen der Bergkuppe gabelt sich der Weg dann nach Osten und Westen. Richtung Osten liegt das Zickersche Höff, welchem wir zustreben. Die Blicke richten sich dabei vom Kammweg zunächst nach Süden.
So fällt der Blick auf das vorspringende Ufer der Kamming, zum Bohnenberg und Griepel. Gegenüber dem großen Zicker sehen wir auf der anderen Seite das Saalsufer und Klein Zicker. Weiter geht es in Richtung Westen, wo wir von einem leicht erhöhten Berg noch einmal über das Wasser sehen. Unweit davon befindet sich auch ein Rastplatz. Dann geht es ein abschüssigen Berg hinab, der seitlich bewaldet ist.
Wieder kreuzen sich hier die Wege, wo viele der Ausschilderung in Richtung Nonnenloch folgen. Allerdings ist diese vielleicht etwas irritierend, denn der Begriff bezieht sich auf eine alte Legende, die sich schon der bereits auf anderen Streifzügen erwähnte Historiker Johann Jacob Grümbke (1771-1849) von einem Pastor erzählen ließ:
"Es soll nämlich in diesem Ufer eine tiefe Höhle befindlich gewesen sein und das Nonnenloch genannt worden sein, weil vor alters städtische Nonnen, die zu der Strafe lebendig eingemauert werden, verurteilt waren, zuweilen hierher gebracht und in die Höhle hinabgestürzt worden sind..."
Heute, wie vor etwa 200 Jahren, als Grümbke diese Gegend durchstreifte, fehlt jede Spur von dem furchtbaren Nonnenloch. Geblieben ist, nach Jahrhunderten in denen die See schon an diesem Teil der Küste nagt, der Abstieg vom Hochufer, das hier bis zu 30 Meter abfällt. Dazu der Name des Nonnenlochs am Swantegord sowie eine schöne Aussicht auf das Wasser! Die ist vor allem am Nachmittag, wie heute, faszinierend. Das liegt daran, dass die Sonne an solchen Tagen über das Wasser streift und dessen Oberfläche zum Flimmern bringt.
Nun, wo die wärmenden Strahlen über die Höhen beim weiteren Weg in Richtung Gager gleiten und in die Täler kühlende Schatten geworfen werden, die sogar noch einige Schneereste übrig blieben ließen, wird der Weg wieder etwas länger. Dem Auf folgt das Ab. Beides führt durch eine abwechslungsreiche Landschaft und hat den sandigen Nordstrand zum Ziel, dessen Oberfläche von Seeetang überschwemmt wurde.
Wieder geht es einen der Hohlwege in Richtung Süden entlang bis wir schließlich wieder den Kammweg erreicht haben. Der Blick hat sich erneut geweitet und gleitet nun von der Goor herüber bis zur Reddevitzer Landzunge. Deren dünne Spitze leuchtet hellgelb gegen die himmelblaue See. Die Tiefe dieser Aussicht wird durch eine dunkle Waldung am Fuße der Zickerschen Berge noch verstärkt. Nun sind es nur noch ein paar hundert Meter bis zum Bakenberg, wie es ein Wegweiser verheißt. Allerdings zieht sich auch diese Strecke noch einmal gewaltig.
In der Ferne entdecken wir nun auch Gager, dessen Verkauf 1360 als "Jawer" durch die Familie von Bonow an das Kloster Eldena dokumentiert wurde. Früher wurde dieses Dorf, welches am Fuße des Bakenberges gelegen ist, über die Zeit vor allem durch alte rohrgedeckte Häuser und eine Mühle oberhalb des Hafens geprägt. Doch auch dieses Ortsbild unterlag schon bald dem Wandel: Im 20. Jahrhundert wurde das Land aufgesiedelt, neue Häuser wurden mit Ziegeln eingedeckt und ein Zeltplatz zog schon bald die Urlauber an...
Nur über den alten und neuen Dächern blieb der Himmel weit. Nach wie vor blieben die Zickerschen Berge Ziel von Rüganern und Gästen gleichermaßen - selbst als die Welt aus ihrem gewohnten Lauf kam... Als die Kirchen ihre Türen vor einigen Monaten schlossen, befestigte Pastor Olaf Metz ein großes Kreuz auf dem höchsten Berg, dem Bakenberg. Der dazu geschriebene Text ruft die Botschaft der letzten Festtage noch einmal in Erinnerung: "Fürchte Dich nicht!" - Hier nun steht:
"Gott hat uns nicht einen Geist der Furcht gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und Besonnenheit."
Die Dinge haben längst einen Selbstlauf erhalten. Die, die den Berg in der Zwischenzeit aufsuchten, haben ihn durch ihre eigenen Steine angereichert und dazu beigetragen, das darüber gesprochen und nachgedacht wurde und wird. Der Abstieg geht direkt in Richtung Groß Zicker vonstatten. Auf dem direkt gewählten Weg liegt auch der kleine Friedhof des Dorfes. Auch er hält für Rüganer und Inselfreunde eine Überraschung bereit:
Die Begräbnisstätte der Familie Steurich, an deren unteren linken Seite sich auch die Grablage des Pastors Emil Steurich (1852-1921) befindet. 1887 wurde ihm, der u. a. zu "Swantewits Fall" und zur "Geschichte der Stadt Bergen auf Rügen" publizierte, die Pfarrstelle übertragen, die er bis 1921 in Groß Zicker inne hatte. Unweigerlich fällt der Blick auf eine weitere Begräbnisstätte, die durch ihren Aufbau und die Größe außergewöhnlich ist, die der Familie Thost-Koos. Noch einmal streift der Blick von hier zum Zicker See.
Friedhöfe sind eben auch auf Rügen weit mehr als Orte der Erinnerung. Sie sind auch Orte der Kultur, der Geschichte und der Natur. Sie lassen auch einige Fragen aufkommen, über die Menschen, derer hier gedacht wird. Heute führt der letzte Weg zurück zur Kirche, die man über eine kurze Allee und nach dem Queren der Dorfstraße erreicht. Vieles ließe sich noch über Groß Zicker und die Zickerschen Berge schreiben und zeigen - aber: "Schaut doch einfach selbst!"
Was, Du kennst diese Orte nicht?
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