So stimmungsvoll, wie bei dem Foto von den Kuttern, können Momente auf Rügens kleiner Schwesterinsel Ummanz sein. Sie ist das Ziel unseres heutigen Streifzuges. Mit ihren 19,7 km² ist die Insel sogar noch etwas größer als das benachbarte Hiddensee - wer hätte das gedacht?
Doch im Gegensatz zum "söten Länneken", das wir erst kürzlich besuchten, endete das eigentliche Inselleben (Anm: Ummanz konnte man früher nur mit einem Kahn erreichen) im Jahre 1901 durch einen Brückenschlag, der von der Halbinsel Lieschow nach Ummanz erfolgte. Die neue Brücke wurde mit ihren 250 Metern bereits 1955 wegen des erhöhten Verkehrsaufkommens vollständig umgebaut. Heute ist sie allerdings nicht nur für den Kraftverkehr und einspurig befahrbar, sondern auch über einen Radweg von Gingst aus angebunden.
Wer die Brücke zur Insel Ummanz überquert, erreicht zunächst Waase. Der Ort ist das Eingangstor zur Insel und war bereits Ziel eines Streifzuges (Zum Streifzug nach Waase). Deshalb wollen wir uns an diesem frühen Morgen, an dem das Leben in Waase noch ruht, links am Bodden entlang bewegen. Die Insel Ummanz ist aus verschiedenen Gründen etwas Besonderes. Einer ist die Gegebenheit, dass sich "Vmans" (wie es 1240 geschrieben wurde) oder "Omanze" (wie eine Urkunde den Ort 1314 bezeichnete) immer in einer Hand befand.
Zunächst im Besitz des Landesherren wurde sie allerdings in der Folge gleich mehrfach verpfändet - 1319 an den Stralsunder Bürger Johannes Hagemann, 1325 an den Ritter von Zuhme oder 1341 (Anm.: mit Ausnahme des Hofes Kukow) an den Stralsunder Bürger Johannes Went. Mit dem Überlass der Insel durch ihn an die Kirche des Stralsunder Heilgeist-Klosters erklärt sich auch, weshalb der um 1520 in Antwerpen aus Eichenholz geschnitzte Altarschrein 1708 aus dem Stralsunder Kloster nach Waase kam...
Zunächst erreichen wir nach Waase die Ortschaft Wusse. Sie befindet sich unmittelbar an der Südküste der Insel. Neben 10 Bauernhöfen, die im 16. Jahrhundert erwähnt wurden, soll es hier auch einmal eine Mühle gegeben haben. Während Wusse direkt an die Straße nach Suhrendorf und Haide angebunden ist, befindet sich etwas abseits Freesenort. Das Dorf an der Südspitze von Ummanz ist nur über eine alte Plattenstraße erreichbar.
Erstmals als "Vresenort" im Jahre 1319 erwähnt, liegt der Ort heute bereits innerhalb des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft. Die Abgeschiedenheit hat aber dem Ort auch eine Ursprünglichkeit bewahrt, die sich bereits an den Häusern ablesen lässt. Die Bebauung an der Küstenniederung hat sich kaum verändert. Bereits in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts ist neben dem auch als "Hasenburg" bekannten Haus Peplow mit seinem "Rügenschen Zuckerhut" und den Häusern Tesch sowie Lange auch vom Haus Nachbar die Rede gewesen.
Letzteres Haus war die Zuflucht des pommerschen Autors Herbert Nachbar, der hier seinen Roman "Die gestohlene Insel" aus dem Jahre 1958 verfasste. Darin beschrieb er, mit dem täglichen Blick auf die Insel Heuwiese und die alte Hansestadt Stralsund, eine Insel irgendwo in der Ostsee, die sein Romanheld und "Dieb", der die Kultur und Zivilisation des Festlandes verachtet, ganz allein bewohnt. Warum der moderne Robinson die "Festländer" verachtet, gibt er unumwunden zu:
"Alle ihre Urteile beruhten ja auf der Erdichtung der menschlichen Gemeinschaft. Und ich hatte gesehen, wie viel davon wirklich vorhanden war…Wohin ich auch gesehen hatte, da fielen sie übereinander her. Sie trugen jeder eine Welt, einen ganzen Kosmos mit sich herum, aber man konnte sie zu jeder Schandtat, jedem Kunststückchen abrichten. Mit diesem Wissen bin ich auf die Insel gekommen, dieses Wissen hat mich befähigt, die Insel zu stehlen...“
Natürlich findet auch in Nachbars Geschichte der "Robinson" einen "Freitag". Oder besser: "Freitag" findet ihn: Eine schiffbrüchige deutsche Seglerin strandet an seinem Zufluchtsort. Doch damit kommt auch seine Einsiedelei ins Wanken. Der Mann, der sein Leben auf dem Festland als eingeengt und eingepresst in einen Panzer von Starrheit und Engstirnigkeit empfand, trifft auf eine Frau namens Penelope, die das Leben auf dem Festland als schön und bunt erlebte - der Konflikt ist gelegt. Und die gespielte Familie auf der Insel, die durch einen Jungen noch ergänzt wird, steht vor seiner Belastungsprobe...
(Anmerkung: Diese Belastungsprobe könnte einer direkten Erfahrung des Autors entsprungen sein. Schließlich war aus dem Jahre 1823 bekannt, dass die Ummanzer schon damals ihre Insel sehr liebten. Sie liebten sie so sehr, dass sie - ähnlich dem "söten Länneken", welches begrifflich für die Insel Hiddensee steht - Ummanz auch "dat Land" nannten. Folglich waren die darauf wohnenden "de Uplandschen". Diejenigen, die nicht auf ihrer Insel wohnen wurden dagegen "de Vanlandschen" benannt. So wurde auch mißfällig angemerkt, wenn ein geborener "Uplander" eine "Vanlanderin" heiratete - dann hieß es: "He hett ne Vanlandsche friet...")
Nachbar, der bis 1959 auf Ummanz lebte, trieb nicht alleine die Flucht auf die Insel vor dem Festland um. Nur kurze Zeit später (1961) wurde bei dem etwas nördlich von Freesenort liegenden Suhrendorf ein Zeltplatz aufgebaut, der nun jeden Sommer Urlauber vom Festland anzog - Sie kamen aber nicht nur aus der DDR sondern auch aus der Tschechoslowakei.
Auch nach dem Fall der Mauer hielt die Sehnsucht nach einer Zuflucht an: Nur ein weiteres Stückchen nördlich davon entstand mit "Ummanii" eine kleiner freier Inselstaat, mit einer eigenen Staatsbürgerschaft und Währung. Auch wenn der Ansatz eines gemeinschaftlichen Abenteuers mit Augenzwinkern entstand, so ist doch gerade die Freiheit der Insel jene Triebfeder, die den Mikrokosmos von "Ummanii" jeden Sommer und bis heute neu belebt.
Kein Wunder! Gleich hinterm Deich lädt zudem das größte Stehrevier Deutschlands zum Kiten und Windsurfen ein. Noch allerdings ist kein buntes Segel und kein tanzender Schirm über dem Wasser zu sehen. Schließlich ist es erst Januar und da verirren sich nur wenige nach Suhrendorf oder Haide. Und noch weniger wandern derzeit den Deich an der Nordküste der Insel entlang.
Vorbei an der alten Försterei und einem in die Tage gekommenen rohrgedeckten Haus geht es weiter in Richtung Osten. Direkt am Weg finden sich immer wieder Rastplätze für Wanderer und Radfahrer. Der Weg, den wir linker Hand in Richtung Wakenitz eingeschlagen haben, ist ebenfalls eine alte Zuwegung aus Betonplatten. Sie führt uns durch einen bewaldeten Teil der Insel. Am Knickpunkt, wo sich nun der Weg nach rechts in Richtung Tankow anbietet, gab es früher auch einen Weg nach Norden, der zunächst am nördlichen Ufer der Küste Ummanz endete, um sich dann über eine Furt, quer über die Wiek nach Udars fortzusetzen.
Hier im Norden der Insel gibt es neben der Eindeichung auch zahlreiche Kanäle. Gerade dabei wird einem bewusst, wie entscheidend um das Land gerungen wurde und wie mühsam man sich gegen die Natur behaupten musste. Aus Siedlungen wurden Wüstungen, Namen sind von den Karten verschwunden oder rückten nur noch einmal in die Betrachtung, wenn Funde von längst vergangenen Zeiten kündeten...
Der Plattenweg läuft nun schon etwas länger an einem der vielen Kanäle entlang. Wir haben den Ort Tankow erreicht. Die Salzwiesen, die durch Beweidung endstanden, bieten heute Wasservögeln ideale Rastplätze. Sowohl Mensch als auch Vögel haben hier eine freie Sicht, weshalb sich auch die Beobachtung von Kranichen auf ihrem alljährlichen Herbstzug mit Ferngläsern anbietet.
Während zwischen September und November bis zu 70.000 Kraniche durch das Gebiet des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft ziehen und mehrere Wochen hier rasten, lassen sich außerhalb dieser Zeit auch andere Vögel beobachten. Diese sind sowohl auf den vorgelagerten Wiesen und Wasserstellen oder den angrenzenden Inseln, wie Gahlitz unweit von Tankow, anzutreffen.
Wir begeben uns auf den letzten Teil unseres Streifzuges. Südlich von Tankow befindet sich Böschow, das heute zu Tankow gerechnet wird. Anzumerken ist, dass Böschow schon immer ein Einzelhof war. Die östlichste Siedlung der Insel Ummanz wurde 1599 als "Buschkouwe" bezeichnet und 1881 niedergerissen. Gleichzeitig entstand etwa 650 Meter westlich ein neuer Hof Böschow, jedoch wurde er als "Kastenhof" bezeichnet. Die bis zu diesem befestigte Zuwegung, setzt sich als Landweg fort.
Am Ende gelangt man zu einer Brücke, die Ummanz mit der Insel Urkewitz verbindet. Sie wird noch beweidet. Die / das auf alten Karten verzeichnete "Voigtdey" existiert jedoch nicht mehr. Von hier aus gleitet unser Blick auch zur Insel Mährens und Liebes sowie zum Varbelvitzer Bodden. Weit in der Ferne lässt sich auch die Turmspitze von Gingst ausmachen.
Längst hat sich die Sonne in der letzten Stunde hinter den Wolken versteckt. Zeit um über Waase die Insel wieder zu verlassen. Allen, die schon lange nicht mehr auf der Insel Ummanz waren, sei die Anregung gegeben, die Zeit zu nutzen, in denen sich auf Ummanz noch die Ruhe finden lässt.
Ein Besuch auf der kleinen Schwester der Insel Rügen lohnt sich für eine Wanderung ebenso wie für eine Fahrradtour...
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