Die Insel Pulitz ist eine der Rügen vorgelagerten Inseln. Sie wurde in der Vergangenheit in einem Atemzug mit den Inseln Hiddensee, Ummanz, Oehe und Vilm genannt. Dennoch ist sie vielen eher weniger bekannt, weil sie heute kaum ins Bewusstsein dringt. Darum soll ihr heute auf unserem nachgereichten Streifzug die volle Aufmerksamkeit gegeben werden.
Gelegen im Kleinen Jasmunder Bodden ist sie über Stedar und von dort aus gut zu Fuß erreichbar. Vor über 700 Jahren fand die Insel als "Politze" und später "Pulitze" seine erste Erwähnung. Wie viele der slawischen Namen soll es sich auch hier um eine Beschreibung handeln, die mit "polasie" in Verbindung gebracht wurde und somit als "Waldland" gedeutet wird.
Dies weist bereits auf die Bedeutung des Waldes für die Insel hin. Wurde zwischenzeitlich noch Landwirtschaft auf einem Teil der Insel betrieben, so hat man zum Ende des 19. Jahrhunderts auch die letzten Ackerflächen auf Pulitz wieder aufgeforstet. Der Weg auf diese heute vollständig bewaldete Insel führt über einen Damm, der etwa zur gleichen Zeit aufgeschüttet wurde.
Allerdings gibt es Überlegungen diesen wieder zu öffnen, um die Verlandung im südlichen Teil des Kleinen Jasmunder Boddens zu stoppen. Das wirft bereits die Frage auf, wie man denn früher die Insel erreichte? Der pommersche Dichter Karl Lappe erklärte in seiner "Mitgabe nach Rügen" aus dem Jahre 1818, dass man entweder mit einem Fischerboot nach Pulitz übersetzte oder eine Durchfahrt in seichtem Gewässer am Stederschen Haken nutzte. Übrigens war für Rügenbesucher früherer Generationen eine Fahrt von Lietzow um die Insel Pulitz nach Zittvitz unterhalb von Bergen einst der absoluter Höhepunkt eines Inselbesuches. Doch: Das ist schon lange nicht mehr so...
So wird auch unser Streifzug zur Neuentdeckung. Wer sich heute an einer Streuobstwiese vorbei auf den Weg über den Damm gemacht hat, gelangt zunächst zu einer Weggabelung. Pfeilen folgend, begibt man sich zunächst nach rechts und betritt damit den Rundweg um Pulitz, der wohl - wenn er hier und da nach Niederschlägen im Wasser steht - regelmäßig Wildschweinen als Suhle dient. Neben alten Bäumen, wird auch gleich zum Anfang rechts vom Weg - abwärts zum heutigen Ufer - die immer weiter einsetzende Verlandung sichtbar. Er selbst wird schon bald durch eine Allee geprägt, die durch den nicht stattfindenden Beschnitt eine ganz eigene Prägung erfährt.
Nach einer guten Stunde gelangt man an einen eigenwillig verzerrten Baum. An ihm lässt sich der Rundweg verlassen. Über den schmalen Pfad eines Höhenkammes erreicht man wenig später den sogenannten "Sonnenhaken".
Er ist die Südspitze der Insel Pulitz und traditionell beliebt bei Kormoranen. So auch heute. Von hier werfen wir noch einen Blick zur Prora und nach Buschvitz, dann geht es weiter in Richtung "Bakelshaken".
Dazu kehrt man wieder zurück zum Rundweg, der weiterhin durch die Allee geprägt wird. Unterwegs gibt es noch einige Eigenheiten zu beobachten.
Das Wasser des Boddens, welches auf der einen Seite vom Land verdrängt wird, dringt hier teilweise noch weit bis auf das Land vor. Ein Stückchen weiter ist auch ein tiefes Tal eines Hohlweges auszumachen.
Dann gelangt man schon bald über die Allee zu einem abweichenden Weg in Richtung Bakelshaken. Er bildet die Ostspitze der Insel Pulitz. Vom leicht erhöhten Gelände kann man bis zum strahlend weißen "Schlösschen" von Lietzow schauen.
Nach Nordosten gewandt, blickt man zum Thiessower Ort der Halbinsel Buhlitz und kann heute die Strömungsverhältnisse des Boddens recht gut an den Schaumkronen beobachten. Zurück zum Rundweg, achten wir nun auf das Gelände zur rechten Hand, wo wir Ausschau nach den Resten eines Einzelhofes halten, der in jüngster Zeit auch noch als Forsthaus Pulitz bekannt war. Schon bei dem Betreten der Insel fiel uns ein Obstbaum auf, der sich deutlich vom anderen Baumbestand abhebt. Er weist auch nun den Weg. Schnell sind Reste eines Maschendrahtzaunes in der Wildnis ausgemacht.
Dann folgen alte aufgestapelte Betonschwellen und es zeichnet sich auch der ehemalige Hof ab. Eingefasst durch eine Mauer aus Feldsteinen, die beim Betreten der Insel kaum auffiel, weil sie längst grün eingefärbt ist, sind noch die Fundamente der Bebauung in Teilen vorhanden. Das Haus selbst soll erst nach der Jahrtausendwende abgerissen worden sein. Heute ist Pulitz jedoch eine einzige Wüstung, deren Steine wohl einiges zu erzählen hätten.
Ob Pulitz nun wirklich ursprünglich dem Kloster Bergen gehört hat, ist zu bezweifeln. Der Rügener Heimatforscher Prof. Dr. Alfred Haas berichtete zum Ende des 19. Jahrhunderts, dass dieses jedoch 1453 Pulitz an Heinrich von Krassow verkauft haben soll. Andere Quellen sprechen davon, dass von Krassow den Ort 1464 vom Stralsunder Bürgermeister erworben habe. Spätestens seit 1532 ist die Familie von Krassow jedoch als Besitzer belegt. Allerdings wurde Pulitz nach dem Aussterben der Pulitzer Linie der Familie von Krassow zur "landesherrlichen Domäne". Für 1577 sind zwei Bauernhöfe mit Ackerland, welches sich im Inneren der Insel befunden haben soll, ausgewiesen.
Und: Auch in einem Lehnsbrief der Familie Normann (Anm.: ...es handelt sich um den Zweig Jarnitz-Lebbin) aus dem Jahre 1685 wurde Pulitz neben den Gütern Buschvitz, Burvitz und Hagen vermerkt. Jedoch wurde Pulitz wohl nach dem Jahre 1700 als Domänialgut wieder "reduciert und eingezogen". Überhaupt war Pulitz - wie übrigens auch Tilzow - als Domänialgut stetig verpachtet worden. Im Jahre 1814 war die dafür angesetzte Pachtsumme immerhin 262 Reichstaler gewesen. Als Pächter war zu jener Zeit ein Herr Briest bekannt, später - in der Mitte des 19. Jahrhundert - auch die Familie von Bohlen. Das Gut selbst war lt. dem Provinzialkalender Neu-Vorpommerns vor allem mit der Schafhaltung beschäftigt und verzeichnete dazu 150 Tiere.
Aus dem Jahre 1851 liegt uns heute - dank der "Stralsundischen Zeitung" - auch eine Übersicht zum Umfang des Gutes, nach dem Tod des Pächters Nordt, vor. Danach umfasste es zu jener Zeit über 337 Morgen Land, wovon etwa 248 Morgen Ackerland, 58 Morgen Weide und 14 Morgen Wiese waren. Verpachtet wurde zudem auch die Fischerei.
Unabhängig davon ist Pulitz als "Waldinsel", die zur Oberförsterei Werder gehörte, mit einem Waldwärter besetzt worden. Im 19. Jahrhundert sind als solche die Häusler Appelbom (1865) und Rubarth (1873) belegt. Beide waren übrigens aus dem unweit von Pulitz befindlichen Tetel. Als Förster war - soviel ist ebenfalls bekannt - von 1892 bis 1902 ein Förster Daude für die Insel Pulitz zuständig. Sein Nachfolger wurde ein Förster Kubisch. Im "Stralsunder Tageblatt" des Jahres 1904 kann man denn auch etwas zum Baumbestand auf der Insel Pulitz entnehmen. Bei einer Holzauktion, die immer um den Jahreswechsel (Anm.: ...in diesem Fall am 29. Januar stattfand) standen Birken- und Buchenkloben sowie Knüppel zur Auktion.
Nach 1900 wurde die Insel auch zunehmend zum Einzugsgebiet für Reiher und Möwen - sehr zum Ärger der Fischer, die für eine Lösung des Problems auch 1912 an den hiesigen Ornithologischen Verein herantraten. Die Ornithologen machten deutlich, dass von den dreißig mitteleuropäischen Möwenarten lediglich fünf Arten bei uns als Brutvögel vorkämen, von denen wiederum nur die Lach- und die Sturmmöwe das ganze Jahr über angetroffen werden können, während die Flußseeschwalbe, die Küstenseeschwalbe und die Zwergseeschwalbe nur zwischen Mai und August hier verweilen würden. Zudem fielen alle Möwen zu jener Zeit unter Jagdschutz und es sei ohnehin eine Schonzeit vom 1. Mai bis 30. Juni einzuhalten gewesen. Auch stellten die Ornithologen (Anm.: ...die übrigens später - zu Pfingsten 1930 - eine Exkursion nach Pulitz planen sollten) fest: Die Möwen bieten großen und unbestreitbaren Nutzen, wenn sie als "Ackermöwen" die Schädlinge des offenen Feldes vernichten und als "Wasserpolizei" die treibenden Abfälle und Aasteile beseitigten. Ende der 20er Jahre wurden dann auch noch die Kormorane auf Pulitz zu einer Plage für die Fischer.
Zu den Fischern ist - rückblickend auf diese Zeit - noch anzumerken, dass sich der Buschvitzer und Zittvitzer Fischerverein trafen, um jeden Sommer ihr Fischerfest zu feiern. Das ist auch in Bezug auf Pulitz zu erwähnen, denn dazu gehörte zu jener Zeit auch ein Wettsegeln auf dem Kleinen Jasmunder Bodden. Der Törn ging in Richtung Insel Pulitz-Sundhaken-Lubkow-Tripser Ufer und dann wieder zurück. Sieger bei den großen Booten wurden 1914 beispielsweise die Fischer Hans Sepke und Albert Laars, die für den Törn etwas über eine Stunde brauchten. Bei den kleinen Booten dominierten die Fischer Ernst Laars und Hermann Niemann. Nachdem alle Boote wieder angelandet waren, ging es übrigens zum Fritzschen Gasthofe...
Auch ist beim Blick zurück noch von einem Unglück am Sonnenhaken, dem sogenannten "Sünnhaken", zu berichten. Am 30. Juli 1928 war der 17 jährige Schuhmacherlehrling Haase mit seinem Bruder von Zittvitz aus mit einem Boot aufgebrochen, um hier zu baden. Obgleich des Schwimmens kundig, war er in die Tiefe gezogen worden. Seinen Bruder ereilte fast das gleiche Schicksal, als er ihm noch helfen wollte. Die Fischer, deren Hilfe er holte, konnten am Ende den Jugendlichen leider nur noch tot bergen. Schon ein Jahr zuvor, so wurde es berichtet, war an der gleichen Stelle ein Marinesoldat ertrunken.
Nach dem Ende des zweiten Weltenkrieges sollte dann auch die Insel Pulitz für lange Zeit aus dem Blickpunkt der Rüganer und ihrer Gäste verschwinden. Zwar wurde sie auf Karten der Insel, im Gegensatz zum nie fertiggestellten KdF-Seebad Rügen, noch dargestellt, doch zugänglich war sie schon bald nicht mehr. Wie die beim letzten Streifzug erwähnten Dörfer Tribberatz und Hagen - unweit des Schmachter Sees bei Binz - wurde auch die Insel Pulitz samt der Stedarer Landzunge 1953 Teil des Militärgeländes, welches später durch die Nationale Volksarmee (NVA) genutzt werden sollte. Ob die damit verbundene Abgeschiedenheit nach außen wirklich dazu geführt haben, dass hier auch zu DDR-Zeiten Leute für Terrorakte ausgebildet wurden, wie es eine Quelle behauptet? Schwer zu sagen...
Das Forsthaus Pulitz, welches direkt am Weg auf die Insel liegt, hätte vielleicht davon einiges aufklären können, wenn Steine sprechen könnten. Doch auch dieses Zeitzeugnis ist nach der Jahrtausendwende abgerissen worden. Was blieb? Ein Umfassungs- und Fundamentmauerwerk aus Findlingen und Klinkersteinen. Es ist heute bemoost und hat sich gut an die Natur angepasst. Daneben zeugen aber noch Blumen und Bäume von der nun zur Wüstung verkommenen Zeit davor: Es war einmal...
Abschließend ließe sich vielleicht noch an das Gedicht "Der Schwan von Pulitz" erinnern, dass der Rüganer Ernst Moritz Arndt 1846 aus Zuneigung an Charlotte von Kathen in Putbus schrieb...Was, Du kennst diese Orte nicht?
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