Blick zum Turm der Stettiner Jakobikirche |
Unsere Kirchen sind ohne jeden Zweifel wertvolle Zeitzeugen, aber nicht nur das. Sie ermöglichen uns neben dem Rückblick auch oftmals einen Blick über die Dächer der Städte und Gemeinden. Grund genug, um einige der Kirchtürme einmal zu besteigen. Die Idee ist an dieser Stelle nicht neu, soll aber mit diesem Beitrag fortgesetzt werden soll. Ziel unserer Besteigung ist der Turm der Stettiner Jakobikirche.
Der ursprünglich zweitürmige Bau befindet sich unweit des Schlosses, in der Gabelung von "Mönchenstraße" und "Breiter Straße" und damit direkt am "Kohlmarkt". Zwischen 1453 und 1501 erhielt der spätgotische Hallenbau seinen Mittelturm. Die einstige Einrichtung der Kirche wurde mehrfach durch Belagerungen in Kriegszeiten beschädigt und vernichtet.
Die jüngste Zerstörung erfolgte im zweiten Weltkrieg als in der Nacht vom 16. auf den 17. August 1944 (also vor etwa 80 Jahren) die Jakobikirche bei einem Bombenangriff auf Stettin schwer getroffen wurde: Zunächst meldete der Rundfunk " "Starke feindliche Verbände sind über Norddeutschland im Anflug". Dann heulten die Sirenen. 461 britische Lancaster-Flugzeuge griffen Hafen und Industriegebiet an. Neben ersten Detonationen hörte man bereits das Abwehrfeuer der 8,8-cm-Flak. Wohl dem, der es noch bis zum Hochbunker am Kai geschafft hatte, mochte man wohl gedacht haben. An die zwei Stunden dauert der Angriff und lässt den Beton des Bunkers vibrieren. Dann plötzlich Stille! - Der Angriff ist vorbei...
Links vom Mittelturm das Stettiner Schloß und das Haus der Loytzen, rechts davon das alte Rathaus am Heumarkt |
Draußen in der Altstadt wütete im August des Jahres 1944 ein mächtiger Feuersturm. Die Hitze war unerträglich und die Orientierung fiel schwer, wie später Zeitzeugen berichten sollten. Erst als der Morgen anbrach, war auch das Ausmaß der Zerstörung zu sehen. Große Teile Stettins traf schwere Verwüstung. Die Hafenanlagen waren massiv beschädigt, 5 Schiffe mit 3721 BRT hatte man mit Bomben versenken können und weitere 8 Schiffe hatten Treffer erhalten. Einer der Bomben, auf die Altstadt fielen, traf die Jakobikirche und beschädigte sie damals schwer. Das Langhaus war wohl in dem Inferno eingestürzt, Altar und Orgel vernichtet worden. Lediglich die Mauern von Chor und Turm hielten stand.
Gut zu erkennen! Rechter Hand - Das "Rote Rathaus" von Stettin |
Heute ist das Geschehen vielleicht nur schwer vorstellbar. Auch, dass die Stettiner Altstadt noch bis in die 50er Jahre aus Ruinen bestand. Wie in anderen deutschen Großstädten ragten auch in der Oder-Metropole nach dem Ende des zweiten Weltkrieges nur noch Häuserecken in den Himmel, die die einstigen Straßenzüge erahnen ließen. Immerhin blieb das alte Rathaus am Heumarkt ein markanter Orientierungspunkt. Seine Außenmauern hatten dem Inferno getrotzt. In dieser Situation war die Frage des Wiederaufbaus der Stadt gleich mehreren Problemlagen unterworfen, nicht nur geopolitischen - dem Austausch einer ganzen Stadtbevölkerung. Und wie sollte man die Trümmer beseitigen? Mitte der 50er Jahre hatte man das erst zu etwa 10% erreicht. Auch der Plan, die Altstadt zu Gunsten eines modernen Stadtteils aufzugeben, hatte (zum Glück!) keinen Erfolg.
Heute ist das Ergebnis weder eine historische Rückbesinnung noch eine Aufgabe der Infrastruktur der Altstadt. Stattdessen wurden neue Wohngebäude mit Satteldächern versehen und das Gesamtkonzept des Neuaufbaus der Stettiner Altstadt fand auch international Anerkennung - als "sozialistische Rekonstruktion". Bei der Denkmalschutzkonferenz der UNESCO 1956 und bei einer RGW-Konferenz in Berlin schenkte man dem Vorhaben jedenfalls große Aufmerksamkeit. Wer einen Blick auf das Ergebnis des Wiederaufbaus der Stettiner Altstadt werfen möchte, muss allerdings wieder einen der pommerschen Kirchtürme, den der Jakobikirche, "besteigen". An der Wirkungsstätte Carl Loewes, dessen Denkmal einst vor der Jakobikirche stand, ruht noch immer sein Herz. 1971 wurde auch diese einstige Hauptkirche Stettins wieder instand gesetzt.
Natürlich bekam auch der Turm bekam wieder einen Helm. Dieser ist in seiner Form, der alten Kubatur nachempfunden worden. Er hat eine Höhe von 110,18 Metern (und ist damit fast so hoch wie der Königsstuhl!). Doch auch hier hat man sich etwas einfallen lassen, denn eine Aussichtsplattform ist zum Publikumsmagneten für viele Gäste der Stadt geworden. Diese ist seit etwa 15 Jahren über zwei von einander getrennte Aufzüge erreichbar und ermöglicht einen einmaligen Blick über Altstadt und Oder. Zweifellos spektakulär, auch für jene, die einmal andere pommersche Kirchtürme bestiegen haben. Und die ganze Aussicht gibt es bereits ab 2,50 EUR zu sehen...
*) Carl Loewe (1796-1869) war ein Kantor, Orhanist und Komponist. 46 Jahre seines Lebens verbrachte er Stettin wo er nicht nur als Musiker in der Jakobikirche wirkte sondern auch den Pommerschen Chorverband gründete und in dessen Namen mehrere Musikfeste organisierte. Außerdem arbeitete er als Musiklehrer am Marienstiftgymnasium in der Domstraße. Loewe, der 1829 Freimaurer wurde und in der Stettiner Loge "Zu den drei Zirkeln" tätig wurde, hinterließ der Nachwelt auch eine "Komposition für Freimaurer". Obgleich er seine letzte Ruhestätte auf dem Kieler Parkfriedhof Eichhof fand, wurde sein Herz in der Stettiner Jakobikirche beigesetzt.
*) Carl Loewe (1796-1869) war ein Kantor, Orhanist und Komponist. 46 Jahre seines Lebens verbrachte er Stettin wo er nicht nur als Musiker in der Jakobikirche wirkte sondern auch den Pommerschen Chorverband gründete und in dessen Namen mehrere Musikfeste organisierte. Außerdem arbeitete er als Musiklehrer am Marienstiftgymnasium in der Domstraße. Loewe, der 1829 Freimaurer wurde und in der Stettiner Loge "Zu den drei Zirkeln" tätig wurde, hinterließ der Nachwelt auch eine "Komposition für Freimaurer". Obgleich er seine letzte Ruhestätte auf dem Kieler Parkfriedhof Eichhof fand, wurde sein Herz in der Stettiner Jakobikirche beigesetzt.
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