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Unser heutiger (nachgereichter) Streifzug gilt einer Landspitze Rügens, die von der Natur zu einer Halbinsel ausgeprägt wurde und die schlicht "der Drigge" genannt wird.  Wir erreichten ihn in diesem Jahr zur Sommerzeit über Gustow und vorbei am kleinen Hafen, der sich an der Nahtstelle zum Muttland befindet. Von hier aus, so der Plan, könnte man den Drigge ganz gut erwandern...

Wenn man den alten Rügenschen Sagen und Überlieferungen glauben mag, verdanken wir den Drigge einem Riesen namens Balderich. Er wollte sich - so jedenfalls erzählte man es über Generationen - einen Erddamm zwischen der Insel Rügen und dem pommerschen Festland bauen. Dazu hatte er eine Schürze mit Erde um seine Hüften gebunden. Allerdings riss ihm die Last bei Rothenkirchen ein Loch in die Trage und so fiel Erde heraus, wodurch die ersten neun Berge entstanden. Zwar konnte er dieses Loch stopfen, doch bei Gustow . man kann es sich denken - riss ihm die Erde ein weiteres Loch in seine Schürze und so fiel ihm wieder etwas zu Boden, wodurch nun dreizehn weitere kleine Hügel entstanden. An der Küste angekommen, schüttet er nun schließlich auch noch den Rest an Erde aus seiner Schürze: So sollen Prosnitzer Haken und Drigge entstanden sein. Ob sich nun der Riese Balderich wirklich getrügt oder "gedriggt" sah - wie einige vermuten - und deshalb die Halbinsel so genannt wurde? Wir wissen es nicht, denn es gibt durchaus Forscher, die dem Namen der Halbinsel und des gleichnamigen Ortes keine Bedeutung zuordnen können... 

Heute gibt es übrigens Drigge 1 und Drigge 2. Wer immer sich das ausgedacht hat... Es ist irritierend! - Drigge 1 kommt übrigens der ursprünglich Ortslage, die sich auf direktem Weg durch ein Mischwaldgebiet erreichen lässt, am nächsten. Aber: Zunächst erreicht man nach fast 2 km erst einmal die Erholungsanlage Drigger Ort e. V. Die Anlage, die über 119 Parzellen, eine Festwiese, Vereinshaus und Bootsstege verfügt, erstreckt sich entlang der südlichen Küste der Halbinsel und entstand zur Zeit der DDR. Während von dem eigentlichen Ort bzw. dem späteren Gut kaum noch etwas übrig ist...

Der Ort auf dem Drigge wurde - so kann man es nachlesen - 1314 erstmalig erwähnt. Auch schrieb er sich um jene Zeit schon mal "Drygghe". Noch weitaus früher - im Jahre 1184 - war er allerdings als "litus Dreccense" bei der Dokumentation der Auseinandersetzungen zwischen den Dänen mit unseren Vorfahren erwähnt worden. Was damals den Ort auf dem Drigge ausmachte, lässt sich aber nicht mehr sagen. Später soll es hier mal ein oder zwei Höfe gegeben, doch viel mehr ist kaum zu erfahren. 

Allerdings verbindet sich im 17. Jahrhundert der Name einer alten Familie des Rügenschen Uradels mit Drigge: Nach dem Stralsunder Bürgermeister Dr. Buchow, der wohl ein Interesse für Landwirtschaft hatte, muss der Drigge der Familie von Krakevitz gehört haben. Ihr Stammsitz soll jedoch nicht Krakevitz auf dem Muttland sondern ein ebenso wie der Familienname lautender Ort an der Südspitze der Halbinsel Wittow gewesen sein (Anm.: Er könnte dem heutigen Fährhof bei Wiek entsprochen haben).

Zur Zeit des dreißigjährigen Krieges (1618-1648) kam es auch in Vorpommern zum Einrücken fremder Truppen: Begonnen hatte es - wie in einigen Schriften nachzulesen war - im November 1627, als der Eigentümer des Drigges, von Krakevitz, im gleichen Jahr sein Rektorat in Greifswald antrat. In dieser Zeit nun feierte dieser von Krakevitz mit der pommerschen Universität der Hansestadt (sogar trotz der Anwesenheit der kaiserlichen Besatzer) das Jubiläum der "Augsburgischen Confession", obgleich es das Verbotes einer Predigt wider den Papst gab.  Doch Barthold von Krakevitz meinte nur, der Kommandant Ludovicus Perusius müsse wissen, dass er sich hier in einer Lutherischen Stadt befände. Die Drangsalierungen dauerten allerdings bis Krakevitzens Ende. Er starb denn auch am 7. November 1642 auf seinem Gut Drigge. Wie zu erfahren war, soll er neben dem Gut Drigge  auch die Güter Upatel, Fritzow und Kieshof besessen haben. 

Nordwestlich des Ortes Drigge - soviel ist ebenfalls bekannt - wurde in jenem 30 Jahre währenden Krieg eine später öfter weiter ausgebaute Erdschanze errichtet. Schon im Jahre 1628 hatte man hier u. a. fünf Tonnen Pulver, sowie tausende von Kugeln und Rasenstücke gelagert, um sie später nach der Insel Dänholm zu bringen, wo ebenfalls Schanzarbeiten stattfanden. Die  Schanze des Drigges aber wurde - wie die von Altefähr und Grahlerfähr - im Jahre 1630 von den Schweden genommen und strategisch letztmalig von napoleonischen Truppen genutzt. Die Flächen an der Schanze, die u. a. mit Rohr bewachsen waren, wurden übrigens noch mindestens bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts meistbietend verpachtet. 

Später wechselten die Eigentümer der Halbinsel sehr oft. Genannt werden als Besitzer u. a. die Familien von Schwarz, von Platen oder von Hochwächter. Doch während beispielsweise die Familie von Platen heute noch bestens auf der Insel bekannt ist, fragt man sich: Wer waren eigentlich die von Hochwächters? Christoph Ludwig von Hochwächter (1769-1838) - der Sohn von Christoph Andreas - war in Gustow geboren worden und war zu seiner Zeit sowohl Gutsbesitzer als auch Politiker. Verheiratet mit Pauline von Mühlenfels besaß er u. a. auf der Insel Rügen die Höfe Gustow und Drigge. Aus der Ehe mit Pauline gingen - wie wir wissen - zehn Kinder hervor. Er selbst war Vertreter des 3, Standes (der Landgemeinden) und gehörte dem 3. pommerschen Provinziallandtag an.

Und noch eine weitere Familie steht in Verbindung mit der Geschichte Drigges: Die Familie von Bagevitz, die 1800 den Hof kaufte und Mitte des 19. Jahrhunderts ein eingeschoßiges Gutshaus mit Krüppelwalmdach und Pfannendeckung im Anschluss an ein bereits vorhandenes zweistöckiges Fachwerkhaus mit Satteldach errichten ließ. Es ist anzunehmen, dass zu jener Zeit auch Wirtschaftsgebäude und Gutsarbeiterkaten errichtet wurden. Allerdings zeugt heute nur noch ein altes Gebäude vom einstigen Rittergut. 

Bekannt ist, dass Gustav Gottfried v. Bagevitz (1738-1794), Landrat war und Ottiliane Christiane Margarethe v. Usedom (1749-1781) ehelichte. Ihr Sohn, Gustav Friedrich v. Bagevitz (1778-1835), der auf Drigge ansässig war, heiratete Friedrike Sophie Maria von Barnekow (1782-...). Aus dieser Verbindung ging Adolf von Bagevitz (1813-1893) hervor, der Erbherr auf Drigge war. Er vermählte sich mit Emilie Amalie Adalberte von Schmettow (1821-1905), Ihre Tochter war Jettine von Bagevitz, geb. am 31.03.1849. Sie heiratete später Heinrich von Versen, geb. 1835. Bekannt ist desweiteren, dass deren Tochter Jettine Helene Alexandra von Versen, geb, 1871, den Grafen Christoph von Schwerin ehelichte... Allerdings ist nicht ganz klar, wie lange diese Erbfolge nun auch in Verbindung mit dem Besitz von Drigge zu bringen ist.

Etwas besser dokumentiert ist dagegen, dass das Gut Drigge ab spätestens 1900 durch die Familie Schütt gepachtet wurde. Während Karoline Schütt bereits 1904 auf Drigge verstorben war, ist im Anschluss immer wieder eine Frau L. Schütt als Gutspächterin des Rittergutes in alten Unterlagen vermerkt gewesen. Diese hatte sich vor allem der Geflügelzucht zugewandt - allen voran Pommerschen Gänsen. Auch wissen wir, dass das Gut über einen Telefonanschluss (damals "2622") verfügte.


In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde der Drigge allerdings auch als Ausflugsort immer beliebter: So führte der Wehrkraftverein 1914 auf der Halbinsel auch Geländeübungen und Spiele durch. Im gleichen Jahr ist auch ein Turnmarsch von Jugendlichen zum Drigge dokumentiert. Nach dem Ersten Weltkrieg nahmen die Ausflüge und Wanderungen von Stralsund weiter zu. Aus den 20er Jahren ist bekannt, dass beispielsweise der Stralsunder Turn- und Sportverein 1860, die Kyffhäuserjugend oder die Kaufmannsjugend hier ein Wanderziel hatten. Dazu dürfte auch eine Schrift zu Wanderungen im Regierungs-Bezirk Stralsund beigetragen haben, die ausdrücklich eine Expedition auf den Drigge empfahl. Zunächst wurde die Überfahrt mit dem Traject oder dem Dampfer nach Altefähr und dann eine Fußwanderung am Strand an Grahlefähr vorbei nach dem Drigge angeregt. In der Schrift von 1927 heißt es zu Drigge:

"Die kleine Halbinsel Drigge ist sehr romantisch, Bewaldetes, hügeliges Terrain. Alte Schanzen Am schönsten der Aufenthalt am Südstrand der Halbinsel. (1 1/2 Stunden). Man kann Drigge auch von Altefähr aus mit der Kleinbahn erreichen (Station Gustow). Das Betreten der Halbinsel Drigge ist nur nach vorheriger Anfrage bei der Gutsherrschaft (Frau Gutspächter Schütt, Drigge bei Gustow a. Rügen) gestatt."


Aber auch seeseitig war Drigge von Interesse. So führte der Stralsunder Seglerverein "Hansa" 1928 seine Freundschaftsregatta mit 27 Booten - ausgehend von der Ruderstation über den Parower-Hafen - zum Lotsenstein bei Drigge durch. Schon im Jahr zuvor hatte der Verein - Dank Zustimmung von  Frau Schütt - zum Sommerfest nach Drigge eingeladen, wo sich bei den Drigger Tannen - unweit davon war man mit 21 Booten vor Anker gegangen - ein lustiges Badeleben entfaltete...

Doch diese Entwicklung hätte auch ganz anders verlaufen können: Als es um die Frage ging, wie die Eisenbahn den Strelasund oder auch "Stralsunder Bodden" genannten Meeresarm überwinden könne, da kamen gleich mehrere Vorschläge in Betracht, die auch die Halbinsel stark verändert hätten. So waren u.a. die Übergangslinien Schwarze Kuppe - Drigge mittels Trajects oder nach Drigge mittels Trajects unter Nutzung des alten Kanonenboot-Hafens im Gespräch. Ins Feld geführt wurde dabei, dass bedeutende Sicherheit bei Eisgang sowie Nord- und Nordweststürme gegeben gewesen wäre. Zwar wären besondere Hafenanlagen bei Süd-, Ost- und Weststürmen notwendig gewesen, das wäre allerdings auch bei anderen Querungen in Betracht zu ziehen gewesen. Obgleich Drigge letztlich als Übergangslinie über den Strelasund und damit Ausgangspunkt für die Eisenbahn auf der Insel Rügen ausschied, so verdienst  doch Drigge noch einmal in dem Bezug einer Querung Erwähnung. 

Auf einer Karte zur Linienführung des Rügendamms, der nach dreijähriger Bauzeit im Jahre 1935 fertiggestellt wurde, sind zwei Spülfelder verzeichnet: Eines südlich der Trassenführung durch Stralsund und direkt am Strelasund und eines am nördlichen Wampen auf dem Drigge - an der Wamper Wiek. Allerdings ist dies auf der Karte von 1938 nicht verzeichnet. Stattdessen findet sich auf auf dem Wampen noch ein Flecken namens Klein Gustow. Östlich davon muss sich einst der "Wamper Fehr" befunden haben - wohl eine Wüstung, die das Übersetzen an jener Stelle ermöglichte.

Zu Wampen, einen alten Ortsnamen auf Drigge, sei ergänzt, dass dieser früher einmal "Wampand" war. Deren Name ist dänisch, stammt also aus der zeit nach dem Fall Arkonas und der damit einhergehenden Christianisierung. Zum zusammengesetzte Wort: Vand nimmt Bezug auf das Wasser und pande auf die Stirn. Auch wissen wir aus dem "Stralsunder Tagblatt", dass man seit der Errichtung des Rügendamms mit seiner Ziegelgrabenbrücke ein kürzeren Schifffahrtsweg erhielt, da nun die große S-Kurve bei Drigge vermieden werden sollte. Auch wurde feinsandiger Sand beim Drigge abgebaut, um ihn bei dem damaligen Licht- und Luftbad Altefähr mittels Lastenkahn anzulanden...


Wer heute den Drigge besucht, dem wird schnell klar, dass die Eingriffe nach dem Zweiten Weltkrieg noch gravierender waren - Landschaftsschutzgebiet hin oder her. In den 60er Jahren soll bereits das Gutshaus abgerissen worden sein. Der ursprüngliche Ort veränderte sich Stück für Stück... Schließlich löste er sich fast vollständig - bis auf ein Wirtschaftsgebäude - auf. Nördlich des alten Weges - zwischen dem Wamper und dem Oberfeuer des Drigges - ufert heute ein Spülfeld weitestgehend aus. Es ist gesichert und durchschneidet heute den Drigge. Erkundungen werden dadurch und durch die gegenwärtige Nutzung der Halbinsel stark eingeschränkt.  


So ist man denn am Suchen, um beispielsweise eine Zuwegung zum Steinort zu finden, aber auch dieser lässt sich nur schwer empfehlen. Wer es dennoch vollbringt bis zu der Südspitze des Drigges vorzustoßen, der sollte auch derer gedenken, die hier ihr Leben verloren - wie der Sohn des Breeger Schiffers Mau, der hier im Sommer 1858 über Bord gegangen war und ertrank. Zu den Verunglückten zählte 1910 auch der Stralsunder Zahnarzt Erich Götsch, der damals mit seinem Ruderboot "Spickaal" von Altefähr in Richtung der Halbinsel Drigge unterwegs war. Während man einen Tag später am Bessiner Haken (Hiddensee) sein Boot leer treibend fand, blieb weitgehend im Dunkel, was geschehen sein könnte. Zu den Ertrunkenen am Drigge zählte ferner auch der Wampener Hans Storm...


Beschlossen werden soll dieser Beitrag allerdings mit einem Gedicht von Naëma Loesche (1854-1927), eine in Maltzien geborene von Kahlden. Sie beschreibt einen Blick, den man noch heute haben kann...



Die Hafenstadt
(Stralsund vom Drigge aus)

Die Abendsonne sinkt,
Ihr bleiches Licht verblüht,
Im Dunst der Ferne winkt,
Im Streifen rot durchglüht, 
Des Festlands Hafenstadt.

Der Küste Hort und Schild,
Am lichten Meeressaum, 
Ein überirdisch Bild,
Ein lustger Wolkentraum.
Und doch aus festem Stein.

Weit wogt erregte See,
Mit abendroter Flut,
Sie pulst wie Erdenweh,
Wie rastlos Menschenblut,
In unser Sehnsucht Meer.

Das weiß von keinem Strand. 
Wo seine Welle schweigt,
Nur hoch im Wolkenland,
Ahnt, wenn das Licht sich neigt,
Mein Herz, die Hafenstadt. 

Etwas Freude beim Erwandern des Drigges ist dennoch geblieben, denn so kann man diesen Ausflug zum Anlass nehmen, um das eine oder andere Interessante über die Halbinsel zu erzählen.  
    

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