Viele Schlösser und Herrenhäuser auf Rügen haben bis heute nicht ihren Reiz verloren. Am Spyckerschen See erhebt sich beispielsweise ein massives dreigeschossiges Haus. Dessen rechteckiger Grundriß mit trutzigen Ecktürmen fügt sich derzeit so gut in das landschaftliche Umfeld ein, dass es auch von einer Anhöhe - rechterhand des Ortseingangs von Bobbin (von Sagard kommend) - kaum noch zu sehen ist. Sichtbar wäre es sicher ein schönes Fotomotiv und eine gute Empfehlung. So allerdings müssen wir uns vom alten Glanz schon direkt vor Ort überzeugen. Deshalb führten uns unsere Streifzüge über die Insel heute nach Spycker.
Der wehrhafte Charakter des Baus geht wahrscheinlich auf das Ende des 16. Jahrhunderts zurück. Damals wurde die „Herrschaft Spycker“ durch die Errichtung eines „festen Hauses“ mit zwei parallelen Satteldächern und einem ringsum geführten Wassergraben begründet. Wenn man einer alten Überlieferung glauben mag, verlieh der Landesherr die Besitzung seinem Leibjäger Jasmund um die Klettenbüsche (Kliewen) auszurotten, die seinen Hunden bei der Jagd zu schaffen machten. Nachdem Jasmund ihm bezeugte, dass er über das dafür notwendige Geld (Drömt) verfügte, meinte der Landesherr: „Nun, so will ich dir das Land verleihen und das Drömt Geld sollst du in ein schönes Schloss vermauern!“ - Soweit die Legende...
Bezeugt ist, dass die Familie von Jasmund im 15. Jahrhundert zunehmend an Einfluss und Land gewann. Als jedoch 1649 Carl Christoph von Jasmund starb, erlosch auch seine Familie im Mannestamm. Das Anwesen galt damit als erledigtes Lehen. Die Landesherrin – Königin Christine von Schweden – verlieh es nun ihrem - seit 1648 im Amt befindlichen - Generalgouverneur von Schwedisch-Pommern. Dieser war kein geringerer als Carl Gustav von Wrangel. Der politische „Senkrechtstarter“ galt als Repräsentant eines neuen Kriegsadels, der während des Dreißigjährigen Krieges Karriere machte. Von seinem neuen Selbstverständnis zeugte nicht nur die unstandesgemäße Heirat einer verarmten deutschen Provinzschönheit, sondern auch das starkes Modebewusstsein und die Begierde nach Macht und Besitz.
Dem Hause Spycker – das Carl Gustav von Wrangel mit seiner Frau Anna Margareta, einer Tochter von Joachim von Haugwitz und Sophie von Veltheim, bewohnte - nahm er mit zahlreichen Umbauten ab 1650 seinen wehrhaften Charakter. Wrangel gestaltete es – sich an das Schloss Gripsholm erinnernd - neu. Äußerlich veränderten ein Treppenturm – in der Mitte der Hoffront - und die Welschen Hauben - welche die Ecktürme krönten - das Gebäude. Statt der beiden parallelen Satteldächer schmückte nun schon bald ein großes Dach mit Schaugiebeln das Haus. Seine rote Fassade erhielt es wahrscheinlich um 1661. Sie ordnete sich harmonisch in eine neu angelegte Parkanlage ein, die später von einer Mauer eingefriedet wurde.
Auch innerlich kam es zu zahlreichen Veränderungen. Das nun über den Turm und dessen freitragender Wendeltreppe erschlossene repräsentative Hauptgeschoss wurde mit reich verzierten Stuckdecken ausgestattet. Gearbeitet wurden sie von Antonius Lohr und dessen Mitarbeiter Nils Eriksson. Ihr Werk umfasste beinahe vollplastische Darstellungen. Jeder Raum präsentierte ein Thema: Perseus und Andromeda mit den vier Elementen, das Parisurteil und die vier Jahreszeiten. Das zweite Obergeschoß beherbergte dagegen den sogenannten Rittersaal mit einer kräftigen frei tragenden Holzbalkendecke.
Für Wrangel diente Spycker als Teil der Repräsentation, die er - neben der Wrangelsburg bei Wolgast, den Stadtpalais in Stralsund und Stockholm und dem Schloss Skokloster bei Uppsala - für einen „Landesvater Pommerns“ als angemessen ansah.
Doch auch sein Glanz war vergänglich. Nachdem Wrangel 1673 seine Frau Anna Margareta verlor, wendete sich auch das Kriegsglück gegen den erfolgsverwöhnten Feldherrn. In der Schlacht bei Fehrbellin unterlag er erstmals bei einem bedeutenden Feldzug mit seinen Truppen den Brandenburgern. Nur ein ganzes Jahr später verstarb er nahezu auf den Tag genau am 25. Juni 1676 mit 63 Jahren auf seinem Schloss Spycker. Die Spekulationen zum Todesumstand ließen auch damals nicht lange auf sich warten. Obgleich er bereits seit dem Tod seiner Frau schwer erkrankt war, hielten sich bis heute viele Legenden. Eine von ihnen berichtet davon so:
„Es ist das Geschrei bekannt und sehr gemein, dass des Abends vor Wrangels Tode der Stralsundische Scharfrichter mit verbundenen Augen über das Wasser war geholt worden durch zwei Offiziere, die ihn in einen herrlichen Saal gebracht, allwo viele vermaskete Personen und schwarz bekleidete Diener gestanden, die Türe mit starker Wache versehen gewesen und auf dem Boden eine große schwarze Sammet-Decke, mit goldenen Fransen bordiert, gelegen, auf welcher zwei große silberne Leuchter mit schwarzen Wachskerzen, so gebrannt, gestanden. Nach welchem eine kleine Weile eine vermaskete Person in langen seidenen Schlafrock, ein Buch in den Händen haltend, von vielen vermummten Leuten hereingebracht worden, welche sich auf die schwarze Decke gesetzt, und der Scharfrichter auf gegebenes Zeichen an solcher Person sein Amt verrichten und ihm den Kopf abschlagen müssen, da nach geschehener Sache der Scharfrichter wieder nach Hause gebracht auf die Art, wie er gekommen, und in Stralsund ihm das Geld für seine Arbeit gezahlt worden ...“
So wie der Tod von Carl Gustav von Wrangel einst die Gemüter bewegte und zu zahlreichen Spekulationen führte, ist auch die weitere Erbfolge in Bezug auf das Schloss Spycker unklar: Während einerseits davon ausgegangen wird, dass der Besitz Spycker zunächst an die jüngere Tochter Elenora Sofia überging, die Ernst Ludwig II. von Putbus geheiratet hatte und deren gemeinsame Familie mit dem Tode Elenora Sofias 1687 ausstarb, wird andererseits spekuliert, dass bereits 1676 der Besitz an Wrangels Schwiegersohn, den Schwedischen Grafen Nicolaus von Brahe, ging. Unstrittig ist dagegen, dass die Familie v. Brahe die Besitzung Spycker 1816 letztlich an das Haus Putbus verkaufte. Bei ihr verblieb der Besitz dann bis 1945.
Nachdem dieses bedeutende Gebäude der Insel Rügen zunächst dem Verfall preisgegeben ist, wurde es dann ab 1964 als Ferienheim genutzt. Im Hause finden zu DDR-Zeiten bis zu 80 Urlauber eine Ferienunterkunft. Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) bewirbt das Schloss damals so:
„Die Gäste wohnen in bequem und modern eingerichteten Zimmern mit fließendem Warm- und Kaltwasser sowie Heizung. Für das leibliche Wohl sorgen neben der Küche die Heimgaststätte sowie das idyllische Weinrestaurant im Schlosskeller. Gesellige Veranstaltungen, Lichtbildervorträge, musikalisch-literarische Abende und gemütliche Kaffeenachmittage tragen zu einem abwechslungsreichen Urlaub bei.“
Nach der Wende kommt es in Folge der Privatisierung zu einer Sanierung und einem Umbau zum Schlosshotel. Seit 2006 präsentiert sich das Schloss Spycker dann unter neuer Leitung. Die Idee, die Schönheit der vergangenen Epochen wieder mit einem modernem Ambiente und einer zeitgenössischer Kunst zu verbinden, könnte von Carl Gustav von Wrangel gewesen sein...
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