Ein scharfer eisiger Wind weht über das südliche Muttland. Unsere Streifzüge haben uns heute über lange graue Betonpfade bis an die Üselitzer Wiek gebracht. Hier, das ist abseits touristischer Pfade. Und es ist dort, wo der Winter schon so manches Mal durch winterliches Hochwasser Besitz von der Niederung ergriff.
Um so erstaunlicher ist vielleicht, dass ausgerechnet an diesem verschwiegenen Ort Erich von Zuhme 1562 eine neue Linie seines Geschlechts begründete. Möglich war dies allerdings nur im Tausch; gegen seine Wittower Besitzung und einem Ausgleich mit weiteren 1.333 Gulden und 16 Schilling. Was ihn dazu bewog, den 1311 als „Uselitze“ erstmals erwähnte Flecken in Besitz zu nehmen, wird wohl dennoch sein Geheimnis bleiben. Einladend war die Gegend jedoch gewiss nicht.
Und so bestimmen von Anfang an wirtschaftliche Probleme den Aufbau einer Wirtschaft, die sich auf 17 ½ besteuerbaren Hakenhufen entwickeln und die Nachkommen stark belasten soll: Ob sein Sohn Pribbert oder sein gleichnamiger Enkel Erich. Die von Zuhmes sind ständig in finanziellen Schwierigkeiten. Besonders schwerwiegend wurden dabei die Kriegsjahre 1628-30 auf der Insel. Erich von Zuhme, der 1612 Uselitz geerbt hat, schätzt die entstandenen Schäden damals auf sagenhafte 40.000 Gulden. Da er sich seiner Gläubiger kaum noch erwehren kann, beantragt er 1634 sogar gegen sich selbst den Konkurs. Es ist Krieg! Soldaten ziehen über die Insel und in Üselitz werden – wie überall - Ställe abgedeckt oder Häuser angezündet. Erichs Frau Elisabeth verzeichnet 1638 u.a. den Verlust von 8 Rindern, 11 Schweinen und 50 Gänsen... Doch noch schwerer wiegt in diesen Zeiten der Verlust an Menschen. Ohne sie ist eine Bewirtschaftung des Landes kaum noch vorstellbar. Längst liegen auch weite Teile des Landes brach. Als Erich 1644 stirbt, stirbt mit ihm auch die Üselitzer Linie der von Zuhmes im Mannesstamm aus. So waren nur etwa hundert Jahre von der Übernahme bis zur Aufgabe der Wirtschaft vergangen.
Blieb also nur das Gutshaus als Zeugnis jener Jahre? Wir wissen es nicht, da die Quellenlage strittig ist. Ob also 1580 begonnen worden ist „das neue Haus kostbar aufzuführen“ oder erst im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts; eine Antwort lässt sich and dieser Stelle nicht geben.
Zum Ende des 17. Jahrhundert lässt sich der Bau jedoch vielleicht so beschreiben: Das dreistöckige Traufenhaus aus verputztem Backstein erschließt sich ursprünglich über das mittig der Längsseite angeordnete Hauptportal. Unter einer korbbogigen Öffnung, die von einem darunter liegenden Dreiecksgiebel - in der sich auch ein Wappenrelief befunden haben muss – und zwei breiten Pilastern gestützt wurde, betrat man den Flur. Fast alle Räume des Erdgeschosses besaßen Kreuzgratgewölbe. Die seitlich vom Flur gelegenen Zimmer verfügten sogar über Stuckdekor. Über die Küche im hinteren Teil des Hauses erreichte man die Vorratsräume, die als flache Unterkellerung bis unter das vordere linke Drittel des Bauwerks reichten. Mittels einer rückwärtigen Treppe erschloss sich das Obergeschoss, welches nach außen auch durch Gesimsbänder abgesetzt war. Charakteristisch für das Gutshaus Uselitz waren die beiden giebelbetonten parallel angeordneten Satteldächer.
In dieser baulichen Verfassung erwarb die Familie von Langen – nach mehreren kurzen Besitzerwechseln - 1706 das Gutshaus mit Hof. Dies alleine wäre - neben der nun einsetzenden Beständigkeit - sicher nur eine Randnotiz wert gewesen, wenn diese Familie nicht auch einen Besitzer hervorgebracht hätte, der es international als Turnierreiter zu Ansehen gebracht hatte. Im Güter-Adressbuch von 1911 lesen wir: „Üselitz, Rittergut mit Tannenort. Carl Friedrich Freiherr von Langen...“ Auch wenn er (s. Foto) das Gut später verpachten sollte, wollen wir kurz seine Lebensgeschichte streifen.
Der im ersten Weltkrieg unglücklich gestürzte Reiter war jahrelang gelähmt und konnte nur durch das Reittraining diese Beeinträchtigung überwinden. Wegbestimmend wird dabei sein als „Hanko“ weltberühmt werdendes Reitpferd mit dem von Langen 1924 sogar beim Hochspringen in Rom siegt. Auf seinem Pferd „Draufgänger“ erkämpft der Adlige schließlich 1928 bei den Olympischen Spielen in Amsterdam die Goldmedaille in der Dressurprüfung. Sein Lebensweg wurde mit dem Buch „...Reitet für Deutschland“ von Clemens Laar und der sich anschließenden Verfilmung in den 30er Jahren vielen Deutschen bekannt. 1934 – nach einem weiteren schweren Sturz – erliegt Carl Friedrich Freiherr von Langen den Verletzungen. Seine Familie soll den Besitz von Üselitz noch bis Ende der 30er Jahre geführt haben. Dessen Aufgabe wird dann jedoch in Bezug gesetzt mit der Übernahme durch Bughard von Veltheim. Allerdings ändert sich auf Üselitz äußerlich nichts, da Hans Staude – nach wie vor – als Pächter das Gut bewirtschaftet.
Mit dem Ende des zweiten Weltkrieges nimmt auch die Einquartierung von Flüchtlingen zu. In einer umfassenden Dokumentation zur Geschichte des Hauses aus dem Jahre 1996 von Martin Holz ist von 20 Familien mit insgesamt etwa 90 Personen um 1945 die Rede. Allein dies stellt auch die Beengtheit der Nachkriegsjahre eindrucksvoll dar. Umso erstaunlicher sind die raschen Auflösungserscheinung als Wohnunterkunft nach Bodenreform und Kollektivierung der Landwirtschaft. 1968 wurde das Gutshaus Üselitz vollständig freigezogen und damit dem Verfall preisgegeben. Zwar gab es zu DDR-Zeiten immer wieder Bestrebungen das Haus zu retten, doch letztlich scheiterten sie alle. Jedoch schafften die Fürsprecher eines Erhaltes 1975 die Aufnahme des Bauwerks auf der Denkmalliste des Kreises Rügen. Der Bauzustand wurde 1973 untersucht: „Wie bei allen alten Gebäuden, die keine Ringverankerung haben, sind auch hier die Gebäudeecken geringfügig nach außen gewichen...“ Empfohlen wird u.a. der „Einbau von Stahlbetondecken, der in die Fensternischen eingreift...“
Bis vor einigen Jahren war im Wesentlichen die Sicherung der Außenwände durch verankerte Stahlträger als Korsett vollzogen worden. Die bedeutenden Kreuzgratgewölbe und die Stuckdecken waren zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits vollständig verloren gegangen. Stattdessen sollten neue aussteifende Decken und Wände dem „hohlen Vogel“ wieder seine Stabilität zurückgeben. Voraussetzungen für eine Rettung dieses Baudenkmals konnte am Ende - auch unter den gegebenen Bedingungen und der Lage des Bauwerks - allerdings nur Beharrlichkeit sein. Diese ist gegeben gewesen: Heute grüßt das Üselitzer Gutshaus bereits mit seinem hellen Putz freundlich aus der Ferne. Natürlich von den historischen Mauern nur noch die äußere Bauform wieder herstellbar, Ergänzungen entsprechen den Möglichkeiten unserer Zeit. Und sicher entschädigt der Anblick dieses Gutshauses und seines Umfeldes für die ansonsten karge Landschaft.
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