Unsere Streifzüge über die Insel führen uns heute ins westliche Muttland. Hier gibt es weit mehr Ursprüngliches zu entdecken, als viele Rüganer und ihre Gäste annehmen. Zum Beispiel das einstige Haufendorf Rambin.
Erstmalige Erwähnung fand der Ort als "Rabyn" im Jahre 1246, ab 1307 auch bereits als "Rambin" bezeichnet. Der Heimatforscher Prof. Dr. Alfred Haas, der sich auch um die Bewahrung des Sagenschatzes der Insel verdient gemacht hat, räumte Rambin eine gewisse Bedeutung ein, da Rambin Mittelpunkt eines Gardvogtbezirkes war und als solcher wahrscheinlich sogar über einen Burgwall verfügte. Wer sich dem Ort jedoch von Samtens aus nähert, wird eher einen Ort entdecken, der sich im Laufe der letzten Jahrhunderte an die Verkehrsströme angepasst und damit auch kaum der Fantasie eine Anregung gibt, wie sich das Ortsbild einst darstellte. Dadurch bedingt sind vieler der noch verbliebenen Zeitzeugen vergangener Tage auch selbst wie aus der Zeit gefallen.
So geht es auch dem ehemaligen St. Jürgenhof. Er befindet sich am Ortseingang (aus Samtens kommend) und ist nur ein Teil eines Ortes, welchen sich bereits im 14. Jahrhundert mehrere Besitzer teilten - die Kirche, der pommersche Herzog und der bereits erwähnte St. Jürgenhof, der mit seinem Hospital für Leprakranke eine Stiftung des Stralsunder Ratsherren Godecke von Wickede war. Nach dem Stifter ist heute noch eine Straße in Rambin benannt. Dabei war er aus einem ursprünglich aus Dortmund stammenden Adelsgeschlecht, welches später sogar zahlreiche Lübecker Rats- und Domherren sowie Beamte und Offiziere hervorbringen sollte.
Der Beginn des Klosters St. Jürgen von Rambin wird auf das Jahr 1334 datiert. Um dieses und den Bau einer Kapelle zu befördern, stiftete der bereits erwähnte Stralsunder Ratsherr seinen Hof Drammendorf, einige Wiesen und den Steizelberg. Fünf Jahre darauf wurde die Stiftung auch durch den Bischof Johann von Roeskilde bestätigt. In der Folge ergaben sich aber bereits viele Veränderungen. So wurden die Güter, die die finanzielle Grundlage für das Kloster boten, getauscht oder zum Teil verkauft.
Wie im Umfeld vieler großer Städte bildete sich auch in Rambin - unweit der Hansestadt Stralsund - eine eigene Hospizform mit einem Hospital für die an der Infektionskrankheit Erkrankten heraus. Die Krankheit - die wir erst seit dem 18. Jahrhundert unter dem Namen "Lepra" kennen - wurde durch Tröpfcheninfektion übertragen. Zu den frühzeitigen Symptomen rechnete man früher eine Schmerzunempfindlichkeit im Bereich der Archillessehne, später sollen sich rötliche Flecken - die heute als "Lepride" bezeichnet werden - auf der hellen Haut abgezeichnet haben. Diese fühlten sich ebenfalls taub an. In dieser Phase der Krankheit konnte sie dann entweder abheilen oder aber sich zur weiteren Zersetzung des Gesichts und anderer Körperteile weiterentwickeln. Das es zu jener Zeit zu einer allgemeinen Verbreitung der Krankheit kam, schrieb man den Kreuzzügen zu.
Die Krankheit, die den Höhepunkt ihrer Verbreitung in Europa im 13. Jahrhundert hatte, verschwand genauso plötzlich, wie sie auftrat (Mitte des 15. Jahrhunderts). Auch dafür sind die Ursachen weitestgehend unbekannt, der Zweck der Anlage verlor damit jedoch seine eigentliche Bedeutung und so wurde sie nun einer neuen Nutzung zugeführt. Folglich nahm das Hospital nun alte und hilfsbedürftige Menschen auf. Für das lebenslange Wohnrecht, konnten sich die Bewohner der Anlage in diese einkaufen. Zu ihnen soll auch - wie eine Tafel am Eingang zur Anlage noch heute verrät - eine Nicht des Rüganers Ernst Moritz Arndt gehört haben. Doch nicht nur das Verschwinden der Leprakrankheit, auch der Dreißigjährige Krieg und die Reformation der Kirche zogen wesentliche Veränderungen für die Nutzung der Anlage nach sich.
Wer heute die Anlage St. Jürgen besucht, findet ein Ensemble verschiedener Bauten vor, die auch in ihrer Baugeschichte klar zuzuordnen sind. Wie viele vergleichbare Einrichtungen, die in der beschriebenen Zeit entstanden, kommt der ehemaligen Kapelle eine besondere Bedeutung zu. Allerdings soll vom eigentlichen Bau heute kaum noch etwas stehen. Der Chor und das Schiff, welches in unserer Zeit noch zentraler Bestandteil von St. Jürgen ist, sind um die Mitte des 15. Jahrhunderts erbaut worden. In der Nutzung zunächst als Spital, gab es später eine räumliche Trennung bis hin zur Einrichtung zum Wohnen. Ähnlich den auf der Insel entstandenen Kirchen wurde auch hier ein Backsteinbau auf Findlingen errichtet. Alle Fenster und Portale haben eine spitzbogige Form, die in Teilen sogar noch eine nachträgliche Vergrößerung erfuhren. Die Abdeckung selbst ist als Satteldach ausgeprägt, während die Ostseite des Chordaches abgewalmt wurde.
Auch die nördlich der Kapelle befindlichen drei Bauten sind Bestandteil der Anlage. Neben einem unverputztem Backstein-Traufenhaus, welches mit Zugankern und im Dachgeschoß mit Fachwerk versehen ist und durch ein Krüppelwalmdach bedeckt wurde, fällt gegenüber ein um 1730 errichtetes Wohnhaus auf. Auch hier handelt es sich um ein eingeschossiges Traufenhaus. Markant ist jedoch eine auf der südlichen Seite des Giebels befindliche Putzblende mit einem Relief. Diese ausgeformte Abbildung, das an der rechten unteren Ecke mit dem Schriftzug "N. Freese Fecit Stralsund" versehen ist, zeigt St. Georg, jenen Heiligen und Märtyrer, der sich gerade im Kampf mit einem Drachen befindet. In diese Verbindung wurde St. Georg erstmals mit den Kreuzzügen des 12. Jahrhunderts gebracht. Die Szene selbst symbolisiert uns den mutigen Kampf gegen das Böse, das er letztlich besiegen wird. Der Kult, der sich einst mit ihm verband, ist verständlich: Schließlich soll er sein Land an Arme verschenkt und auch als weißer Ritter bei der Einnahme Jerusalems durch die Kreuzritter geholfen haben...
Erwähnung verdient auch das dritte Gebäude, welches um 1830 als dreigeschossiges Backsteinhaus ausgebildet wurde. Die Geschoße werden durch eine Treppe erschlossen, wobei die Geschoßhöhen zum Dach hin, abnehmen. Heute wird die Errichtung des Hauses dem Stralsunder Baumeister Johann Michael Lübke zugeordnet. Damit fällt das gebäude zeitlich - wie der verputzte Backsteinbau am Eingang von St. Jürgen - ebenfalls in das 19. Jahrhundert.
Die mit einer Gartenanlage aus Provisoratsgarten, dem Schmuckplatz, Prövenergärten, Obstwieden und Schutzpflanzungen sowie Einfriedungen versehene Anlage, die unter Denkmalschutz steht, hatte bereits verschiedene Trägerschaften. Diese wechselten zwischen der Gemeinde Rambin, dem Kreis Rügen und der Stadt Stralsund. Letztere suchte für das heute etwa 2,4 Hektar große Grundstück mit historischer Bebauung nach einem Interessenten, der die Anlage in Erbbaupacht bewirtschaften würde - so jedenfalls berichtete es ein lokales Medium noch zum Ende des Jahres 2017.
Die ursprünglich zur Anlage dazugehörenden 1.200 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche, die auch die finanzielle Grundlage für das "Kloster vor Rambin zu Stralsund" bildeten, wurden übrigens im Jahre 1945 im Rahmen der Bodenreform enteignet. Die Stiftung wurde am 1. April 1949 - also vor 70 Jahren - aufgelöst.
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