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Wer in den Märztagen dieses Jahres nach Barth fuhr, dürfte eine Stadt gesehen haben, die selten so wenig belebt war. Die allgemeine Situation im März 2020 hatte auch hier ihre Spuren hinterlassen. Gastgewerbliche Einrichtungen waren geschlossen, das städtische Museum auch. Wer dennoch in die Vergangenheit eintauchte, dürfte vieles, was sonst vom geschäftigen Treiben überdeckt wird, für sich entdeckt haben.

Schon in früher Zeit war von der "provincia Barta" - also dem "Land Barth" - die Rede. Bezeichnet wurde damit vor über 800 Jahren der Flecken rund um eine Wallburg, die sich südlich der heutigen Stadt befand. Dieser gehörte schon bald zum Herrschaftsbereich der Fürsten von Rügen, was auch erklärt, weshalb 1255 die gleichnamige Siedlung von Rügenfürst Jaromar II. erstmals Erwähnung findet. Ausgestattet mit dem Lübischen Recht erhielt der Inselregent für das Gebiet der deutschen Stadt - zwischen der Trebine im Osten, dem Hof Alkun im Südosten, dem Flecken Zarnkevitz im Südwesten und der Barthe im Westen - jährliche Abgaben von Getreide. Die bereits erwähnten Orte Alkun und Zarnkevitz sowie das östliche Glöwitz entwickelten sich in der Folge zu Wüstungen.


Barth selbst verfügt bis heute über eine klare Gliederung: Wie ein Schachbrett teilen Straßen das Ursprungsgebiet der Stadt in kleine Quadrate, die nur in ihrem äußeren Ring ihre Begrenzung finden. Ausdruck dessen war zunächst ein Wall mit Gräben und einer Befestigung, die 1325 mit einer Stadtmauer massiver werden sollte und den Zugang auf vier Tore in allen Himmelsrichtungen begrenzte: Im Westen befand sich das Dammtor, im Osten das Wiektor, im Norden das Fischertor und im Süden das Langetor. An den örtlichen Bezeichnungen lässt sich auch in der Gegenwart die Befestigungsanlage ablesen: So ist beispielsweise südlich noch der "Bleicherwall" oder nördlich der "Eichgraben"zu finden.


Von den zuvor erwähnten Toren existiert heute leider nur noch das Dammtor - das letzte Zeugnis der alten ringförmigen Wehranlage. Es soll erstmals um 1357 Erwähnung gefunden haben und ist an die 35 Meter hoch. Zur Zeit der Erbauung sicherte es - wie beschrieben - den westlichen Zugang durch ein Spitzbogentor zur Stadtanlage, ermöglichte einen weiten Blick über das Land und verfügte sogar über einen Erker. Das südliche Lange Tor - an dem sichauch das St. Spiritus-Hospital sowie außerhalb der Stadt die Hospitäler St. Jürgen und St. Gertrud für Fremde und Kranke befanden - wurde bereits 1342 urkundlich erwähnt. Dieses verfügte über ein Vortor und über einen eckigen Wehrturm - wie es heute in einer Beschreibung vor Ort heißt. Für Schmunzeln dürfte dabei sicher sorgen, dass die Torwärter an Sonn- und Feiertagen die Stadttore erst öffnen durften, wenn die letzte Predigt in der Kirche vollzogen war. 1876 - so kann man hier weiter erfahren - wurde das Lange Tor abgerissen, zwei Jahre zuvor hatte man im Rat der Stadt um das Schleifen von Dammtor und Langem Tor gestritten...


Die Rügenschen Erbfolgekriege, die bereits bei unserem Besuch in der Hansestadt Demmin Erwähnung fanden, blieben auch für Barth nicht wirkungslos. Ausgelöst wurde der erste Rügensche Erbfolgekrieg durch den Tod des Rügenfürsten Witzlaw III im Jahre 1325. Dieser soll noch zuvor seinen einzigen männlichen Nachkommen verloren haben, wodurch der 1321 geschlossene Erbverbrüderungsvertrag mit seinem Neffen Wartislaw IV. von Pommern-Wolgast (und Otto I. sowie Barnim III. von Pommern-Stettin) zum Tragen kam. Als pommerscher Herzog trat nun also der Neffe das Erbe an. Da jedoch auch Wartislaw IV. bereits ein Jahr darauf - 1326 - starb und seine Söhne noch unmündig waren, erhoben die mecklenburgischen Fürsten Anspruch auf die Nachfolge und fielen im Spätsommer in das Fürstentum Rügen ein.

Die Städte Barth und Grimmen ergaben sich bereits nach kurzer Belagerung, Loitz ergab sich sogar kampflos. Doch die Hansestädte Stralsund, Greifswald, Anklam und Demmin verbündeten sich mit Gehrard von Holstein und stellten sich damit auf die Seite der Witwe Wartislaw IV. und seiner Söhne. Sie zogen zunächst gegen Loitz, besiegten die Mecklenburger bei Griebenow (1327) und Völschow (1328). Im 1328 besiegelten Friedensvertrag von Broderstorf wurde festgelegt, dass das Fürstentum Rügen nun also doch zu Pommern gehören sollte. Im Gegenzug würde eine Entschädigung von 31.000 Mark innerhalb von zwölf Jahren an die Mecklenburger gezahlt werden. Bis  dahin sollten die Städte und Länder Barth, Tribsees und Grimmen als Pfand dienen. Allerdings wurden sie nie eingelöst. Stattdessen eroberten die pommerschen Verbündeten dann im zweiten Rügenschen Erbfolgekrieg Barth. Erst mit dem Stralsunder Friedensvertrag 1354 wurde dann letztlich die Grenze zwischen Mecklenburgern und Pommern klar besiegelt: Seither verläuft sie an der Recknitz und Trebel.


Barth wurde in der Folgezeit pommersche Herzogs- und Residenzstadt: 1575 wurde Barth zum Hauptsitz des pommerschen Herzogs Bogislaw XIII. So kam es u.a. zur Gründung der Fürstlichen Druckerei, in der die Barther Bibel mit einer Auflage von etwa 500 Stück gedruckt worden sein soll. Als Vorlage diente übrigens die legendäre Bugenhagenbibel des pommerschen Reformators ("Doctor Pomeranus") und Weggefährten Luthers. Viel Beachtung fand auch der Druck eines Stammbaums der pommerschen Herzöge.


Ein weiteres Vorhaben des pommerschen Herzogs, die Gründung der Stadt Franzburg ("Frantzenburgh" in Anlehnung an seinen Schwiegervater Herzog Franz von Braunschweig-Lüneburg, dessen Witwe Klara im pommerschen Barth verstarb und die in der Marienkirche bestattet wurde) als Konkurrenz zur mächtigen Hansestadt Stralsund, konnte nicht die gewünschte Wirkung entfalten. Überhaupt Stralsund! Mit den Hanseaten gab es gleich mehrere Auseinandersetzungen, die 1585 in der Verhaftung Stralsunder Ratsherren auf dem Markt von Barth gipfelten. Schon zuvor hatte man Waren von Kaufleuten der Hansestadt beschlagnahmt.


Parallel dazu entwickelte sich die Stadt auch zum kirchlichen Zentrum. Dabei war die Barther Marienkirche die Mutterkirche von Kenz und Bodstedt, die als Wallfahrtskirchen weite Bekanntheit hatten. Kenz mit seinem als wundertätig geltenden Marienbild, der "Maria Pomerana", und Bodstedt  mit seiner Wallfahrtskirche St. Weald für die Seefahrer des "Mare Balticum" - der Ostsee - waren wichtige finanzielle Quellen.Insgesamt umfasste die Barther Synode sogar 20 Kirchspiele, die später sogar eine Erweiterung erfuhren.


In diese Zeit des allgemeinen Aufschwungs unter Herzogs Bogislaw XIII. fällt auch die Gründung der Barther Apotheke. Die auch als "Ratsapotheke" bezeichnete Institution befindet sich in einem 1793 in der Langen Straße 28 errichteten Bau. Seitlich lässt sich sogar die Betreiber-Tradition auf einer am Fachwerk angebrachten Tafel ablesen: 1572: Dr. Bernhard Macht, 1575: Johannes Schacht, 1580: Petrus Zizow, 1617: Nikolaus Wandersleben, 1622: Adam Froehlich, 1706: Petrus Schulz, 1713: Johann Kuss, 1718: Johann Gottfried Schmidt, 1733: Gottlieb Zoch, 1749: Detloff Wilhelm Eckard, 1775: Wilhelm Erdmann Bindermann, 1820: Carl Friedrich Ludwig Bindermann, 1851: Carl Friedrich Hermann Bindermann, 1867: Emil Friedrich Gustav Schütz, 1879: Rudolf Karl Theodor Dühr, 1889: Ferdinand Rudolf Herrmann Lange, 1891: Julius Carl Steinorth, 1897: Otto Eisleben, 1905: Ignatz Rochon, 1914: Ernst Weber, 1926: Otto Busch, (1956-1957: vorübergehende Leitung von Assistentin Judith Schüttpelz) 1957: Pharmazierat Siegfried Schwarzer, 1970: Gerd Griephan (als staatlicher Leiter), 1990: Gerd Griephan (gekauft von Dr. Klaus Busch), 2009: Ute Reiher (gekauft von Gerd Griephan).


Den Zeiten von Förderung und Entwicklung Barths folgte jedoch bald die des 30jährigen Krieges und des allgemeinen Niedergangs. Zunächst von Wallensteins Truppen besetzt, rücken 1630 die Schweden ein. Vom 23. zum 24. September des gleichen Jahres soll sogar der Schwedenkönig Gustav II. Adolf in der Stadt geweilt haben. Doch der Schrecken und die Folgen des Krieges hielten weiterhin Barth und Vorpommern in Atem: Bogislaw XIV. starb als letzter pommerscher Herzog, die eigentliche Nachfolge und die andauernde schwedische Besatzung sorgten auch für zukünftigen Zündstoff, so dass weitere kriegerische Auseinandersetzungen - wie der Nordische Krieg (1674-1679), der Große Nordische Krieg (1700-1721) oder der Siebenjährige Krieg (1756-1763) - zwischen den Brandenburgern und Schweden folgten. Alles mit entsprechender Wirkung für Barth...


Dennoch zeichnete sich bis 1800 wieder ein allgemeiner Aufschwung ab, der vor allem vom Schiffbau und Seehandel getragen wurde. Und auch die politischen Rahmenbedingungen wandelten sich rasant. So wurde die Leibeigenschaft (Ernst Moritz Arndt, der in Barth seine erste Frau kennen lernte, hatte es 1803 thematisiert) aufgehoben und die schwedische Verfassung 1806 eingeführt. Und: Obgleich auch hier die französische Besatzungstruppen einzogen, stand am Ende von Napoleons Herrschaft die schließlich erfolgte Abtretung des ehemaligen Schwedisch-Pommern an Preußen und damit die eigentliche Einlösung der Nachfolge des letzten pommerschen Herzogs durch die Brandenburger.

Neben dem bereits erwähnten Schiffbau und Seehandel kam es auch zur Industrialisierung. So gründete sich beispielsweise im Jahre 1872 die Maschinenfabrik Barth. Sie wurde ab 1890 Teil einer Stralsunder Unternehmung. Während sich die Mitarbeiter der Pommerschen Eisengießerei und Maschinenfabrik AG (PEMAG) am Sund dabei auf Pferderechen, Sähmaschinen, Düngerstreuer und Kartoffelsortierer spezialisierten, produzierte man in Barth Düngerstreuer („Pommerania-Nova“), Walzen, Rübenschneider und Ölkuchenbrecher. Der Aufschwung selbst trug die Stadt etwa hundert Jahre - bis mit dem 1. Weltkrieg. Dann kam in den 20ern ein spürbarer Abschwung. Dieser konnte erst in den 30er Jahren wirtschaftlich u.a. mit der Ingangsetzung der Lederfabrik (1934) und der Zuckerfabrik (1935) sowie der Anlegung des Flugplatzes (1936) abgemildert werden. Doch politisch war die zeit ab 1933 durch den Nationalsozialismus geprägt.


Mit dem Zusammenbruch Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg war 1945 nicht nur die Aufnahme von Flüchtlingen und Vertriebenen aus Ost- und Westpreußen, Pommern, Schlesien und dem Sudetenland verbunden, sondern auch eine stetige Verstaatlichung der Wirtschaft, die sich vor allem in der Verdrängung privater Unternehmer durch Volkseigene Güter und Betriebe im Zuge des Aufbaus des Sozialismus unter der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) ausdrückte. Zu den großen Unternehmen der Stadt zählte durch Zusammenlegungen beispielsweise der "VEB Schiffsanlagenbau Barth". Weit über Barth hinaus wurde auch der "VEB Saatzucht Zierpflanzen" bekannt.


Mit dem Jahr 1989 kam es zu einem erneuten gesellschaftlichen Umbruch, der in die Deutsche Einheit und damit eine soziale Marktwirtschaft mündete. So wurden Privatisierungen verstaatlichter Betriebe und Unternehmensgründungen in den 90er Jahren für die Entwicklung der Stadt prägend. Dieser radikale Umbruch führte allerdings auch zur Schließung zahlreicher Betriebe und zu einem starken Anstieg der Erwerbslosen sowie einem Rückgang der Bevölkerungszahl.

Als sich die Stadt im März 2020 in das Sonnenlicht tauchte, strahlten die frisch sanierten Fassaden des Stadtkerns mit den Gassen und historischen Sehenswürdigkeiten eine unwirkliche Stimmung aus. Waren sie doch - wie der Marktplatz - geradezu menschenleer. Wenn nun Stück für Stück wieder das bunte Treiben in diese schöne Kleinstadt Einzug hält, dann vielleicht auch, weil dieser kleine Blick auf das pommersche Festland manchen Leser zu einem Besuch angeregt hat. Sehenswert ist die Stadt in jedem Falle!


(Bildnachweise: Foto 1: Blick auf die Barther St. Marien Kirche vom Markt aus / Foto 2: Heute Teil der Stadtbefestigung - der Fangelturm, wo Gefangene eingesperrt wurden / Foto 3: Das Dammtor ist das letzte noch vorhandene Tor der Barther Wehranlage / Foto 4: 1733 wurde die Anlage des Barther Stadtschlosses durch den Schweden-König Friedrich I. zum Fräuleinstift umgebaut / Foto 5: Druck- und Verlagshaus in der Langen Straße 30 / Foto 6: St. Jürgen, einst Hospital-Kapelle, heute Teil des Niederdeutschen Bibelzentrums Barth / Foto 7: Der Markt von Barth / Foto 8: In der Langen Straße 28 befindet sich die "Ratsapotheke" mit einer jahrhundertelangen Tradition / Foto 9: Allee am Schilfgraben, unweit der Katholischen Kirche / Foto 10: Der alte Wasserturm von Barth / Foto 11: Hier stand das Geburtshaus der Heimatdichterin Martha Müller-Grählert („Wo de Ostseewellen trecken“) / Foto 12: Gebäude des "Ostsee-Flughafens" am Barther Flugplatz, wo schon Beate Uhse als Pilotin einer "Siebel Fh 104" landete)

(Weitere Informationen: Internetseite der Stadt Barth)


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