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Unser heutiger Streifzug führt uns in den Südosten der Insel, genauer: Auf die Halbinsel Mönchgut. Bis zum 14. Jahrhundert bestand diese Halbinsel im Norden aus dem "Land Reddevitz", welches sich zwischen dem "Mönchgraben" bei Baabe und der "Zickernitz" befindet, und im Süden aus der "Halbinsel Zicker". Diese reichte allerdings früher weit südlicher, denn einst bestand auch noch eine Landverbindung zwischen dem Thiessower Höwt (Anm.: Schreibweise "Höwt" oder "Höft") und dem Ruden, die dann mit der "Allerheiligenflut" im Jahre 1304 an die Ostsee verloren wurde und seither das "Nyendeep" (Anm.: Das "Neue Tief") bildet.

Über Middelhagen und Mariendorf erreichen wir den Schafberg, einen etwa 34 Meter hohen Berg, der einen Blick auf "den Hagen" eine lange Reihe von Einzelhöfen, ermöglicht. Angelegt wurde er durch deutsche Kolonisten, die aus der Gegend von Paderborn ins Land geholt wurden. 

Zunächst entstanden Grotenhagen, Middelhagen und Lütkenhagen - später: Philippshagen. Letzteres war ein Gutshof der vom Rentmeister  Joachim Scheele nach dem pommerschen Herzog Philipp Julius (1601-1625) benannt worden sein soll.  

Auch nördlich eröffnet sich ein weiter Blick von der Anhöhe, die mitten in einer 22 ha großen Teilfläche des Naturschutzgebietes Mönchgut liegt: auf Mariendorf, Alt Reddevitz mit seinem Fliegerberg und die Reddevitzer Landzunge. Sie ist das eigentliche Ziel unseres heutigen Streifzuges. Wir beginnen ihn allerdings letztlich am Ortsausgang des inzwischen zu Lasten seines ursprünglichen Charakters stark zersiedelten Alt Reddevitz. Von hier führt uns eine Betonspur entlang der Halbinsel zwischen Having und Hagenscher Wiek.

Wer ohnehin einen Ausflug zur Strandburg, jener inzwischen weit über die Inselgrenzen bekannten Brennerei plant, kann auch vom Parkplatz derselben seine kleine Wanderung über die nur 700 bis 1.000 Meter breite Landzunge - welche sich nach Westen hin auf einer Länge von etwa 4 Kilometern verjüngt - beginnen. Abwechselung entsteht auf dem sowohl für Radfahrer als auch für Wanderer bestens geeigneten Weg durch den Bewuchs, Einzelhöfe und vor allem durch unterschiedliche Geländehöhen, die zwischenzeitlich auf bis zu 39 Meter ansteigen können, um schließlich am Höwt bei 12 Metern Höhe plötzlich steil zum Strand abfallen. 

Die Höhen wiederum bieten einmalige Blicke über eine Landschaft, die an Tagen wie diesen, sicher unvergesslich bleiben, weil der Wechsel zwischen Land und Wasser eine einzigartige Kulisse für das Auge zu schaffen versteht. - Wenn der Weg plötzlich einen Knick nach rechts macht und man schon bald eine Anhöhe nimmt, dann schweift der Blick und bietet eine unglaubliche Fernsicht unter weitem Himmel, die sich nur schwer auf einem Foto darstellen lässt. Unweigerlich fallen einem dabei allerdings einige von Friedeckes Zeilen zu "Reddevitz" ein...


"Wär ich ein reicher Mann,
Und hätt ein liebes Weib,
Ich wüßt, wo ich baut` mich an,
Und hätt` viel Zeitvertreib.

Hoch oben auf Reddevitz Höhe,
Da sollt mein Häuschen stehn,
Verschwunden wär` Weltschmerz und Wehe,
Weit um mich könnt ich sehen!

Ringsum das Rügener Land,
Mit seinen hüg´ligen Ketten,
Ringsum der zerklüftete Strand,
Sie würden hier heimisch mich betten..."

Zu denen, die hier sicher ein schönes Fleckchen Erde fanden, zählten aber nicht nur Einheimische. Rechter Hand, leicht versteckt zwischen Bäumen erscheint das Haus des Philosophen Dr. Hans Pichler (1882–1958). Den naturverbunden und begeisterten Segler soll ein Segeltörn in Richtung Mönchgut geführt haben. Beeindruckt vom Höwt hat er wohl auf Vermittlung von Fritz Worm von dem Großbauern Franz Breede ein Grundstück erwerben können und hier 1925 einen Sommersitz errichtet. Das ihm das Haus ein Rückzugsort war, versteht jeder, der seinen Fuß auf die Reddevitzer Landzunge gesetzt hat. 1958 verstarb Pichler hier und fand seine letzte Ruhestätte im benachbarten Middelhagen.

Wer das kleine Waldstück unmittelbar an dem Haus passiert hat, in welchem der besagte Sommersitz am Wegesrand durch die Bäume hervorlugt, der kommt zum Having-Hof. Der Familienbetrieb reicht mit seiner Tradition bis in das Jahr 1896 zurück. Der ehemalige Drei-Seiten-Hof ist in dieser Lage vielleicht einen längeren Aufenthalt wert, denn von hier sind es nur noch etwa 400 Metern bis zum Höwt. Der Gedanke das Steilufer auch bei unmöglichsten Wetterverhältnissen zu erleben, wäre hier wohl Grund genug...

Nach einer kurzen Rast geht es die Stufen zum Strand hinunter. Bei strahlendem Sonnenschein nagt ein starker Wind am Höwt. Er pustet den feinen Sand aus dem Hang und trägt ihn so Korn für Korn ab. Wenn nun auch noch Regen die Oberfläche benetzt, die Feuchtigkeit in den Hand eindringt und zu kalten Jahreszeiten auch noch Frost einsetzt, lassen sich auch große Abbrüche des Ufers durch die Natur entreißen. Um die 20 Zentimeter - so kann man es nachlesen - soll die Insel an dieser Landzunge jährlich verlieren. Grund genug, um sich bei Strandspaziergängen in Sichtweite anderer Besucher zu bewegen, denn das Steilufer ist zu allen Zeiten tückisch. 

Um doch noch am Nordstrand entlang zu wandern, geht deshalb der Weg wieder ein Stückchen zurück, um  dann später über ein Feld - linker Hand - vorzudringen. An dessen Ende, wo ein Waldsaum zum Ufer milde abfällt, ist ein Abstieg und eine sich anschließende Strandwanderung dagegen weitaus ungefährlicher. Erstaunlich ist der Blick zum erst kürzlich besuchten Neu Reddevitz und - weiter rechts - zum Burgwall bei Gobbin...

Der Strand ist verlassen, feinsandig und nur teilweise mit Steinen bedeckt. Auch hier nagt die See tüchtig an dem Reddevitzer Land, legt Wurzeln von Bäumen frei und trägt - was sich nicht halten kann - mit sich. Neben einem kleinen abgelegenen Grundstück an dessen Haus noch eifrig gewerkelt wird, findet sich sonst nur Natur. Schwäne säumen hier regelmäßig das Ufer und umso stiller man sich bewegt, desto weniger Notiz nehmen sie von einem. Weit in der Ferne lässt sich schon Sellin an Hand des Cliff-Hotels ausmachen. Die Wanderung am Strand ist, bedingt durch den Wellenschlag, vielleicht auch ein Stück weit Ausgleich für den Alltag. 

Dann, schon bald, ist auf einer Anhöhe ein Haus zu sehen. Ein abzweigender Weg verschwindet im Dickicht. Wer ihm folgt, nimmt über einem Hohlweg die Steigung und findet sich plötzlich vor der Strandburg wieder. So oder so ähnlich, muss es wohl auch den Gästen gegangen sein, die mit Martin Looks, dem vielleicht letzten "Seeräuber von Mönchgut" (Anm.: So auch der gleichnamige Titel des Buches, das es zu Martin Looks gibt), über den Selliner See "gondelten", um sich von Looks auf der Strandburg das alte Turmzimmer zeigen zu lassen, dass zu jener Zeit noch die reichhaltige Sammlung an Feuersteinwerkzeugen hatte. Looks war ganz sicher ein guter Fremdenführer, wusste er sich doch schon damals gut zu inszenieren, und seine Erzählungen von Wunderdingen taten sicher ihr übriges. Die 1904 von Karl Kliesow eröffnete Strandburg aber war eines der ersten Hotels von Alt Reddevitz. 1953 wurde es, wie viele andere Gasthäuser im Rahmen der "Aktion Rose" enteignet, diente dann als Betriebsferienheim und Kinderferienlager, stand später lange Zeit leer... Heute ist es übrigens - wie schon erwähnt - eine Brennerei, die neben Gin und Rum auch Liköre anbietet. Sie ist zudem zu einem beliebten Ausflugsziel geworden.

Unser kleiner Ausflug endet dieses Mal genau hier. - Aber: Weitere Streifzüge folgen, denn auf der Insel Rügen gibt es noch einiges mehr zu entdecken...   


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