Dort, wo im Sommer Touristen über den Höhenrücken der Zicker Berge laufen und vergeblich das Nonnenloch suchen, sind sie zu Hause: Die Rauhwolligen Pommerschen Landschafe. Die vierbeinige „Landschaftspfleger“ gehören zum Pommern-Hof Westphal. Einige hundert sollen es nun schon sein, die ganz nebenbei auch noch Fleisch, Milch und Wolle geben.
Eigentlich sollten die genügsamen Tiere längst schon wieder auf den nördlich von Groß Zicker gelegenen Bakenberg, doch dann machte ihren Haltern der Wintereinbruch in Pommern ein Strich durch die Rechnung. Mitte der vergangenen Woche schneite es so stark, dass man selbst diese robusten und bodenständigen Tiere nicht mehr auf den Höhenzug, in eine weiß gepuderte Landschaft der Rügener Halbinsel Mönchgut, lassen wollte.
Noch vor etwa 90 Jahren gab es weit über 70.000 pommersche Landschafe und nach dem zweiten Weltkrieg sollen es sogar etwa 110.000 gewesen sein. Was heute vielleicht ungläubiges Staunen bei Touristen darüber wie einst diese Schafe die Landschaft prägten erregt, verdeutlicht auch – wie stark die sich daran anschließende Gefährdung dieser heimischen Kulturrasse durch herausbildende Großfelderwirtschaft und die zunehmende Zucht leistungsstärkerer Nutztierrassen für die „Grauwoller“ war. Doch die Pommern-Schafe hatten Glück! Dank passionierter Züchter auf Rügen, Hiddensee und dem Festland konnten die letzten Bestände von sieben Böcken und 46 Mutterschafen in den letzten Jahrzehnten wieder stabilisiert und aufgebaut werden.
Dazu trägt zweifellos auch die Unterstreichung als Nutztier bei. Denn die Wolle der Schafe, die mit ihren grauen bis stahlblauen Färbungen nun wieder die Heimat dieser Tiere prägt, wurde für die Weiterverarbeitung entdeckt. Der Rüganer Mario Scheel gründete dazu Nordwolle Rügen und produziert seit 2013 hochwertige Outdoor-Bekleidung. Und: Was einst als Makel galt, die natürliche Färbung der Schafwolle, ist heute längst ein Zeichen von Individualität daraus gefertigter Produkte. - Die Färbung gestaltet nur die Natur!
Eigentlich war es so ja schon immer so – denn: Bevor die Industrialisierung auch die Bekleidungsindustrie hervorbrachte, wurden aus der Wolle des „grauen Schafes“ noch Segeltuch und Fischerjoppe gefertigt. Und heute?
Da entstehen mittlerweile Walkjacken, Pullover oder Decken. Doch bevor es soweit ist, muss noch einiges passieren: Nachdem die Schafe jährlich zwischen Mai und Juni geschert werden, wird ihre Wolle gewaschen, zu Garn gesponnen und schließlich gewebt. Aus ihr soll am Ende auch wasserabweisende und regendichte Bekleidung entstehen.
Kein leichter Anfang: Noch vor etwa 10 Jahren war der Gründer der Nordwolle Rügen mit 300 kg Schafwolle durch Deutschland getingelt. Sein Ziel? Eine Firma zu finden, die noch deutsche Wolle verspinnt. Gar nicht so einfach! Denn: In kleineren Mengen ist das schwierig und in großen Mengen ist dies beim pommerschen Landschaf (noch) nicht möglich. Aber: Scheel hatte Glück. Ein kleines Familienunternehmen – es ist das letzte von einst 184 Tuchfabriken in Deutschland - verspinnt heute sein Garn. Aus den paar hundert Kilo sind bereits einige Tonnen Wolle geworden, die Scheel nun Jahr für Jahr verarbeiten lässt.
Wer einen Pullover in der Hand hat, sieht nicht nur eine schlichte graue Faser – er sieht auch eine Struktur, die die Natur über Jahrhunderte hervor gebracht hat. Und wer sich für einen solchen praktischen „Überzieher“ entscheidet, lernt schon bald deren Vorzüge kennen: Wie das Rauhwollige Pommersche Landschaf sind eben diese Pullover für das rauhe Klima gemacht. So wundert es auch nicht, dass Gründer Scheel dies bei Wind und Wetter immer wieder unter Beweis stellt – auch vor laufenden Kameras, etwa wenn er mit einem Team des Norddeutschen Rundfunks (NDR) bei Regen für die „Nordstory“ unterwegs ist.
Längst wird es aber auch bei der Nordwolle immer bunter. Nicht nur Pullover sondern auch Mäntel oder Schuhe sind Teil des Sortiments geworden und die Wolle der „Grauwoller“ wird mit bunten Farben kombiniert. Man darf gespannt bleiben, was dem Rüganer Scheel als nächstes einfällt. Eines hat er aber bereits erreicht: Die Wolle der Rauhwolligen Pommerschen Landschafe hat wieder einen Wert, der Absatz der aus ihrer Wolle gefertigten Produkte trägt zum Erhalt dieser alten Schafrasse bei und die Zahl der Fans dürfte auch weiter wachsen…
Mein Dank geht in diesem Falle an Norbert, der mich auf die Nordwolle-Produkte aufmerksam machte und auch begeisterter Träger des abgebildeten Pullovers ist, den er auch gleich an den winterlichen Tagen, die wir dieses Jahr auf der Insel hatten, fotografierte...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen