Auch im Norden und speziell an der pommerschen Küste haben Wanderer und Touristiker eine lange Tradition. So war der "Stettiner Touristenklub" 1883 mit 14 Wanderfreunden sogar Gründungsmitglied des Verbandes Deutscher Touristenvereine, einem Vorläufer des 1908 entstandenen Verbandes Deutscher Gebirgs- und Wandervereine und damit des heutigen Deutschen Wanderverbandes.
Und wie beliebt das Wandern war, belegt vielleicht auch eine statistische Erhebung - denn: 1896 hatte der Stettiner Buchheideverein bereits 1218 Mitglieder! Ein weiterer Verein soll an dieser Stelle ebenfalls Erwähnung finden, weil er für diese Zeit exemplarisch stehen kann - der Messenthiner Waldverein. Der 1907 zu Stettin gegründete Verein, der offiziell bis 1945 bestand, organisierte nicht nur zahlreiche Wanderungen durch den herrlichen Buchenwald sondern er betrieb durch die aktive Herausgabe von Postkarten, die als "Heimatbilder" die Schönheit der Natur abbildeten, Werbung in eigener Sache und für die Natur.
Einer der Vorteile des Wandergebietes um Messenthin war die bequeme Erreichbarkeit des Waldes mit der Bahn, der nun auch dieses Ausflugsziel immer beliebter machen sollte. So kam es am 16. Juni 1907 im Messenthiner Schützenhaus zur Gründung des Messenthiner Waldvereins. Ein weiterer wichtiger Bezugspunkt des Vereines als Ausflugsziel war die Messenthiner Waldhalle. Neben dem Vorsitzenden Otto Schlüter, einem Arzt, waren - wie wir heute wissen - u.a. Lehrer, Förster und Kaufleute in dem Verein organisiert. Sie förderten die touristische Entwicklung von Wanderzielen, Ausflügen und historischer Bildung - so wurden vor Ort Gedenktafeln angebracht, um die "Touristiker" für die Landschaft zu sensibilisieren. Zudem wurden die Waldwege gekennzeichnet und durch Wegweiser ergänzt. So baute man mit der Zeit eine Wanderinfrastruktur mit Schutzhütten für Wanderer auf und verknüpfte diese mit der bereits bestehenden Infrastruktur von Bahn und Schiene. 1910 - so Überlieferungen - soll der Verein bereits über 30 Waldflächen abgesteckt und gepflegt haben. Nach einem Aufschwung der Gründung und einem Abschwung in den 20ern mit der Inflation, die auch das Vereinsvermögen gegen "0" abschmelzen ließ, blühte der Verein in den 30er Jahren mit den wirtschaftlichen Stabilisierungen noch einmal auf und erreichte so die beachtliche Zahl von 1.500 Mitgliedern. Die Tätigkeit dieses Vereins endete - wie die vieler weiterer Vereine - mit dem zweiten Weltkrieg - aber: Noch heute sind die Spuren seines Wirkens sichtbar und sie werden wieder in den Mittelpunkt der örtlichen Betrachtung gerückt.
Perspektivisch schweift unser Blick nun - mit der Fluchtbewegung 1945 - von Stettin in Richtung Westen: Bedingt durch die Natur der pommerschen Inseln Rügen (s.o. der Klassiker: Die "Heimatkarte" aus dem Bergener Verlag Walther Krohss von 1938), Hiddensee oder Usedom als Ziel zahlreicher Wanderungen und Wandertage war die Attraktivität des Wanderns im pommerschen Landesteil auch nach dem 2. Weltkrieg diesseits der Oder ungebrochen. Zumal - im Gegensatz zu den Betätigungsfeldern des Kletterns, Bergsteigen, Segelfliegen oder Segeln - das Wandern und Orientieren im Gelände keinerlei Einschränkungen zu Zeiten der 1949 gegründeten Deutschen Demokratischen Republik (kurz: DDR) erfuhr. Träger dieser Aktivitäten war hier zunächst das Staatliche Komitee für Körperkultur und Sport - Sektion Tourismus. Ab 1957 gab es dann aber beim Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB) den Deutschen Wander- und Bergsteigerverband (DWBV). Dieser wurde 1970 in den Deutschen Verband für Wandern, Bergsteigen und Orientierungslauf (DWBO) umbenannt.
Allerdings kam man auf der Insel Rügen in den 70er Jahren mit Aktivitäten in der Natur als Schüler eher über die Wandertage (die sich auf die ganze Insel bezogen), die "Station der Jungen Touristen Walter Husemann" (s. obere alte Postkarte) - einer Anlage am heutigen "Granitzhaus" - oder dem alljährlichen "Manöver Schneeflocke", das von der Schule organisiert wurde - in Berührung. Übrigens: Interessant ist, dass es in der DDR immer begrifflich um "Junge Touristiker" oder "Touristen" ging, wie auch der Name des Mitteilungsblattes "Der Tourist" des DWBO schon ausdrückte. Eine der bekanntesten Ausgaben zur Erkundung der Insel Rügen wurde übrigens als "Tourist Wanderatlas" 1979 herausgegeben und er enthielt neben farbigen Kartenauszügen und schwarz-weißen Abbildungen, wertvolle Informationen zur Insel und zu Wanderungen über diese. Dieser war genauso populär, wie die Wanderkarte der Insel im Maßstab 1:75.000...
Um einem Missverständnis vorzubeugen: Unter "Touristik" verstand man zu jener Zeit noch durch "sportliche Elemente charakterisierte Formen des Tourismus". Wo dabei die Grenze zum Wehrsport liegt, lässt sich heute allerdings schwerlich sagen, zumal dieser Teil ja in der DDR über die "Gesellschaft für Sport und Technik" (kurz: GST) abgebildet wurde. - Aber: Ein "Touristiker" war nach damaligem Verständnis jemand, der Berge bestieg, Wanderungen unternahm und sich im Gelände orientierte. Dabei griff dieser "Touristiker" bisweilen auf einen selbst gebasteltem Kompass, Merkmale der Pflanzenwelt und den Sonnenstand zur Beurteilung seines Standortes zurück...
Ursprünglich kommt der Begriff aber aus dem Englischen, wo die Bedeutung zunächst geprägt wurde ("Tourist - one who makes a tour or ramble"), dann bald auch in anderen europäischen Ländern sich durchsetzend, war in Deutschland zunächst die "Wandertätigkeit, die im Naturgenießen, dem Aufsuchen unbekannter oder landschaftlich hervorragender Landschaften bestand, den hygienischen Wirkungen und den geistigen Anregungen des Wanderns ihren Zweck sucht" (Brockhaus, 1897) gemeint. So war der deutsche Tourist eigentlich zunächst (nur) ein "Fußwanderer", der "höchstens die Eisenbahn benutzt", um den Ausgangspunkt zu seiner Tour zu erreichen. Später wurde dieser Touristik-Bezug u. a. durch Rad- und Bootstouristik erweitert.
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