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Wer kennt sie nicht? – Die Kreidefelsen der Insel Rügen. Sagenumwoben, von Caspar David Friedrich auf Leinwand gebannt, gilt Kreide heute als das „weiße Gold“ der Insel. Obgleich auch auf Wollin, an der Dievenow, bei Cammin oder Kolberg zu finden, ist „Rügener Kreide“ etwas Besonderes: Feinkörnig und hochporös entstand sie in der Kreidezeit – also vor etwa 70 Mio. Jahren. Genutzt wird sie aber nicht nur von der Industrie sondern längst auch zur Heilung.

Nachweislich begann bereits um 1720 der Abbau der Kreide - nicht auf Jasmund sondern am Hohen Ufer der Granitz. Hier ließ Graf Moritz Ulrich zu Putbus eine Kalkbrennerei anlegen, deren Name „Kalkofen“ sich bis heute gehalten hat. Doch der eigentliche Abbau erfolgte erst mit den Aktivitäten des pommerschen Naturforschers und Unternehmers Friedrich von Hagenow (1797-1865). Hagenow, dem die Insel schon als junger Mann vertraut war, pachtete sämtliche Kreidebrüche und ließ die gebrochene Kreide nach Greifswald zum Aufschlämmen bringen. So wurde die Halbinsel Jasmund zum Zentrum einer ganzen Branche. Allerdings machten sich die entstandenen Kreidebrüche erhebliche Konkurrenz, weshalb auch Hagenow letztlich aufgab. Erst Ende des 19. Jahrhunderts bildete sich schließlich ein Kartell, welches sowohl Preise als auch Fördermengen absprach.

Neben der industriellen Verwertung – u. a. für die Stettiner Zementindustrie - rückten dann gesundheitliche Anwendungen Anfang des 20. Jahrhunderts in den Blick. So wurde die Zusammensetzung der „Sassnitzer Heilkreide“ am Chemischen Institut der Universität Breslau untersucht. Im Ergebnis wurde ein Anteil von 98,55% „kohlesaurem Kalk“ (CaCo3) ausgewiesen. Zudem prüfte man auch ihr thermische Verhalten. Im Gegensatz zu anderen Schlammbädern gab Kreide ihre Wärme langsamer ab, war geruchlos und hygienisch.

Zunächst im Kreiskrankenhaus Bergen, dann im Kreideheilbad Sassnitz, begann man nun mit den Heilkuren. Schon bald empfahl man sie bei Ischias, Rheuma, Gicht und Gelenkentzündungen. Neben Bädern, kosmetischen Kompressen und Kataplasma-Kuren wurden sogar Inhalationen angeboten. Letztere sollten auch in den Folgejahren Gegenstand von Untersuchungen – u. a. an der Universität Greifswald – sein. Im Kurpreis enthalten waren Heilbäder, Kataplasma, Unterkunft, Verpflegung, Kurtaxe und Arzthonorar.

Parallel dazu bewarb sich Sassnitz als Kreideheilbad und bat am 9. März 1935 beim Rügener Landrat um eine entsprechende Fürsprache beim Preußischen Staatsministerium. Dem Wunsch nach staatlicher Anerkennung waren tiefgründige und kostspielige Untersuchungen voraus gegangen. Zumal: Kreide war ausreichend vorhanden und seine Anwendung sowohl in Sassnitz als auch ortsunabhängig erfolgen konnte. Zum Zweck des Ausbaus des Kreideheilbades und der Erschließung weiterer Geschäftsfelder, wie dem Versand von Kreidedosen und Packungen, erfolgte die Gründung der Rüganeschen Kreideheilbad G. m. b. H.

Auch wenn deren Geschäftstätigkeit schon bald zum Erliegen kam, „ruhte“ und schließlich 1941 gelöscht wurde, gingen die Aktivitäten in Sassnitz weiter. Selbst kurz nach Kriegsende wurde bereits über eine nahtlose Weiterführung des Kreideheilbades gesprochen, um das Potenzial, welches mit dem pommerschen Moorbad Bad Polzin verloren gegangen war, aufzufangen. Die Kreideanwendungen erfolgten nun unter dem Chefarzt des Sassnitzer Krankenhauses Dr. Friedrichkarl Wünn (1945-1963) mit einer eigenen Kreideschlammbäderabteilung und endeten erst mit dessen Ausscheiden aus dem Krankenhaus.

Welche nachhaltige Wirkung diese Jahrzehnte der Kreideanwendung auch bei den Rüganern haben sollte, zeigte sich nach dem politischen Umbruch 1989/1990: Auf Initiative von Gesine Skrzepski wurde 1995 eine Interessengemeinschaft zur „Wiederbelebung“ der Anwendungen der Heilkreide begründet, 2000 gründete sich auch der Rügener Heilkreide Verein, der sich auch um die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit müht. „Rügener Heilkreide“ kann man heute deutschlandweit über das Internet zu beziehen. Und Kreideanwendungen werden auf der ganzen Insel – wie zum Beispiel im Parkhotel Rügen – angeboten. Nur die Stadt Sassnitz hat sein Potential als staatlich anerkanntes Kreideheilbad leider noch nicht erkannt…

Weitere Informationen zu Heilkreide

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